scheint mir, daß Du das tiefste für mich haben müßtest, geliebtes Herz. Es ist ja grade als sähest Du mich am Spieltisch. Ich spiele eifrig, aufmerksam, gespannt, ich beobachte alle Nüancen und Chancen des Spieles; ich suche ein Paar hübsch glänzende Goldstücke zu gewinnen; mein Interesse ist ganz auf den grünen Teppich mitRouge et Noir gerichtet. Bin ich darum ein leidenschaftlicher Spieler? wag' ich darum mein Vermögen auf die Karte? O mit nichten! ich stehe auf, schiebe die Karten bei Seite, und bin der gelassenste aller Menschen. Aber ich wiederhole Dir: hegst Du Mißtrauen, so hab' ich Unrecht, und das bekümmert mich, denn ich will nicht dunkel vor Deiner reinen lichten Seele erscheinen. Gieb es auf, mein Engel! willst Du? – Aber aus voller Seele und ohne Hinterhalt? – Dann schwindet die Angst, und mit ihr die Krankheit, die mich so sehr besorgt macht.“
Corneliens Gedanken verwirrten sich. Sie fand sich nicht zurecht in dem plötzlichen Wechsel dem alle ihre Gefühle unterliegen mußten, wenn sie ihm glaubte – und die Geisterstimme in ihrem Innern welche ihr zuflüsterte: glaube ihm nicht! kam ihr wie Wahnsinn vor. Das Fieber trat in seine Rechte; sie begann zu phantasiren.
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/021&oldid=- (Version vom 31.7.2018)