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dem er sich ein Jahr aufgehalten, war in Brüssel gestorben, und aus jener brillanten Lage trat Leonor wieder in seine engbeschränkte zurück.

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Corneliens Benehmen gegen Eustach blieb so wie sie es sich vorgesetzt hatte: gleichmäßig artig, höflich und kühl. Sie wunderte sich selbst, daß sie nie in den alten vertraulichen Ton zurückfiel, daß sie nie auf den Gedanken kam die warme Innigkeit, welche ihr so ganz eigen war, vorwalten zu lassen. Aber Eustach war ihr ein Fremder geworden! sie horchte nicht mehr auf seinen Schritt, sie lauschte nicht mehr auf seine Stimme, sie freute sich nicht mehr seiner Anwesenheit, sie wünschte nicht mehr seine Rückkunft herbei. Ob er da oder nicht da war galt ihr ziemlich gleich. Der Eustach den sie geliebt, der den Pulsschlag in ihrem Dasein ausgemacht hatte, der das Licht ihrer Augen, der Polarstern ihres Lebens gewesen war – der Eustach war es ja doch nicht mehr, und mit einem andern wußte sie nichts anzufangen! – Nicht todt war er ihr, ach! das hätte ihr schmerzliche Wehmuth gestattet. Hätte sie ihn betrachten dürfen als todt für sie und für eine Andere lebend, – durch eine flammende Leidenschaft oder eine gewichtige Bestimmung ihrer Sphäre entrückt und in eine fremde versetzt,

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Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/048&oldid=- (Version vom 31.7.2018)