herausgerissen durch eine Gewaltthat des Geschickes aus dem Erdboden ihrer Heimat, – nun ja, sie würde ihn ewig betrauert haben wie einen todten Geliebten und ihr Herz wäre auch todt gewesen für ihn – wenn ein Herz sterben kann! – Aber jezt: um eine miserable nichtswürdige Intrigue, die er mit Gleichgültigkeit aufgab als sie ihren Reiz der Heimlichkeit verloren hatte, und die er wie Staub von seinen Füßen von sich abschüttelte – aus heller Lust am Bösen hatte er sie geflissentlich und mit Bewußtsein hintergangen und verrathen, und mit dem Gift der Falschheit im Herzen ihr liebendes Vertrauen mißbraucht. Wenn sie ihn ansah fielen ihr jene alten nordischen Sagen ein, wo die Spukgeister das Menschenkind aus der Wiege stehlen und eins von ihren Kindern, ein Gebild ohne Seele, wieder hinein legen. Kommt dann die Mutter, so findet sie zwar das Kind in der Wiege, allein es blickt sie mit so fremden unheimlichen Augen an, daß ihr davor graut, und wenn es heranwächst hat sie nichts als Herzeleid damit. Diesen schauerlichen Eindruck daß
er das Kind böser Geister sei, machte er ihr immer, und wer kann denn wissen ob die Eindrücke und Einflüsse die sich um die Wiege des Menschenkindes bewegen und kund geben, nicht die guten und bösen Geister seiner Zukunft ausmachen?
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/049&oldid=- (Version vom 31.7.2018)