Zwecke fördernd wirken, aber der Selbständigkeit schadet sie, denn sie macht es zur Gewohnheit von Außen Stütze und Hülfe zu suchen statt im Innern. Die verfeinerte und gebildete Gemeinschaftlichkeit nennt man Kultur. Sie ist eine schöne Sache, die Kultur, die nur einen Fehler hat: sie erstickt die Natur. Eine Bedingung der Natur ist die Berechtigung des Individuums zu seiner Selbstbestimmung und Selbstentwickelung: das ist Freiheit. Diese Freiheit wird merkwürdiger Weise heutzutag von den Menschen nur als Ausnahme in Anspruch genommen, während sie nach Lehr-Rede-Preßfreiheit schreien; oder eigentlich sehr natürlicher Weise, denn zum Denken, Reden, Schreiben, allenfalls zum Thun, haben sie Mittel, Eigenschaften und Kräfte: aber - für das Sein - haben sie keine Kraft. Knechte der Kultur die sie sind, wie könnten sie Kinder der Freiheit sein! So die Männer. Die Weiber, unter strenger Vormundschaft gehalten, sind natürlich Sclavinnen und, in Masse, ohne Bewußtsein - wie das die moderne Schablonen-Erziehung mit sich bringt, bei der abermals das Prinzip der Unberücksichtigung des Individuums vorherrscht; denn in die Form! in die Form! muß das Wesen passen. Das negative und passive Naturel der meisten Weiber
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/108&oldid=- (Version vom 31.7.2018)