„Der Herr Direktor is dei Vatter, Kätterle,“ flüsterte die Hausfrau, „gang zu ihm morge, wann du ihn im Theater siehst, und sag, i hätt’s gesagt, und i hätt mei Lebtag nit g’loge.“
„I mein, i komm ums Leben,“ ächzte die Mutter, „Sie schwätzet und schwätzet, Wirtsfrau, geb Sie mer lieber ’n Tropfen Wasser.“
Sie erholte sich während des Trinkens, legte ihre dünnen Finger auf den weichen Lockenkopf des Kindes und wiederholte mit fieberglänzenden Augen:
„Nit, weil i’s Leben hab, soll das Kind zu sei’m Vatter gehen; er hat’s verstoße und hat mi verstoße, i will nix von em!“
Armes Brosämle! Es weinte sich in Schlaf neben seiner kranken Mutter, zu der es ins Bett gekrochen war; aber dann kam der ununterbrochene selige Kinderschlummer und nahm die Spur der Tränen von den langen weichen Wimpern.
Als es am Morgen aus den Kissen schlüpfte, lag die Mutter noch still, mit geschlossenen Augen.
„Scht,“ sagte die Kleine, so oft sie ein leises Geräusch machte beim Anziehen, „Mutterle schläft – Mutterle schläft lang.“
Als es sein rotes Kleidchen angezogen hatte, guckte es in den Schrank und fand ein bißchen Milch und einen alten Wecken. Es lachte vergnügt vor sich hin über „die gute Sächle“, zu denen in erster Linie
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/074&oldid=- (Version vom 31.7.2018)