Sie bog den Kopf so tief, daß sie den Duft einatmen konnte. „Was kuckst du mich so an? was machst du für Augen?“
Er stand auf, schob ihre Hand weg und zog eine dunkelrote Rose aus ihrem Kleide. Einen kurzen Augenblick starrte er die seltene Blume an; dann warf er sie in weitem Schwunge über des Mädchens Kopf weg in einen der riesigen Kessel voll Schwefelsäure und Kalk.
Mit einem bedauernden Ausruf eilte Gesa an den Tank und hob sich auf die Zehe; aber es war nichts mehr zu erkennen in der tiefen gelben Pfütze.
„De kummt nich wedder,“ sagte der Arbeiter kopfschüttelnd; „wat da in föllt, dat kummt nich wedder.“
Dann riß er sie weg.
„Leg nich din Arm darop, dat fritt allens entzwei kiek.“
Er hielt ihr eine von grünlichem Rost zerfressene Stahlschnalle hin.
„Min Ledderriemen is ’mal da ringlitscht, und dat is all, wat nahblewen is.“ Gesa sah nicht hin. Mit hängendem Kopf wie ein maulendes Kind hatte sie sich auf den Bock gesetzt, kaute stumm an ihrem Brote und wandte ihm den Rücken zu.
Der Mann verstummte nun auch und ging mit weiten Schritten in dem beengten Raum zwischen den
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/185&oldid=- (Version vom 31.7.2018)