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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

ein alter Bekannter von mir; ich denke, die Sache wird sich arrangieren lassen. Doch nun, Herr Doktor – würden Sie mir jetzt ganz kurz mitteilen, was Sie wissen, eben die Erfolge Ihrer bisherigen Nachforschungen?“

Werres zögerte. Dann sagte er nachdenklich – „Ob ich Sie, Herr Sanitätsrat, in alles einweihen soll? – Offen gestanden, ich bin in dieser Beziehung beinahe abergläubisch. Würde ich Ihnen nun meine Kombinationen in ihrem sehr subtilen, auch sehr lose fundamentierten Aufbau erzählen und nachher mißglückten mir meine weiteren Unternehmungen – ich würde mir dann immer Vorwürfe machen, daß ich mir selbst die Aussicht auf Erfolg verbaut hätte! – Sie lächeln ungläubig, Herr Sanitätsrat – aber es ist so, und ich glaube, wir alle vom Fach neigen zu diesem Aberglauben! Doch ich sehe ein, daß Sie jetzt ein Recht auf mein Vertrauen haben, daher will ich Ihrer Bitte willfahren – allerdings nicht ganz – ich will Ihnen nur ganz allgemeine Andeutungen machen, die Ihnen aber wohl genügen werden. – Ich bin dem Mörder Ihres Bruders auf der Spur seit dem Mordtage, ich habe aber noch keine Beweise, die zu seiner Überführung genügen könnten. Diese Beweise werde ich beschaffen – es fehlen nur noch wenige Glieder einer Kette, und diese Kette wird fertig geschmiedet, verlassen Sie sich darauf, Herr Sanitätsrat! Den Namen des Täters will ich für mich behalten. – Noch eins! Ich selbst kämpfe fast täglich mit Zweifeln, die mir über die Zuverlässigkeit meiner Kriminalbeamten kommen; es hat sogar eine Stunde gegeben, wo das mühsam zusammengetragene Belastungsmaterial mir völlig belanglos und unrichtig erschien. Der Täter hat sein Alibi nachzuweisen versucht – nebenbei der Baron von Berg ist es nicht – und ich hatte diese seine Angaben geprüft – und erfuhr, daß sie stimmten – scheinbar stimmten. Denn das, was ich gesehen, blieb trotz alledem bestehen und jenes Alibi kann – nein, muß falsch gewesen sein.“ – Der Sanitätsrat lächelte fein. „Viel ist das nicht, was ich da erfahren habe – und klüger bin ich dadurch nicht geworden. Aber nehmen Sie es als Zeichen meines Vertrauens hin, daß ich nicht weiter in Sie dringe. – Und nun adieu, Herr Doktor! Die Antwort des Polizeipräsidenten hoffe ich Ihnen noch heute bringen zu können.“


11. Kapitel.

Werres setzte sich, nachdem der Sanitätsrat ihn verlassen hatte, an seinen Schreibtisch und grübelte. – Hatte er recht gehandelt, daß er das Anerbieten des alten Herrn angenommen?! Würde man ihn nicht trotzdem hinter seinem Rücken bereden, würden diese Menschen, denen er so wie so ein Dorn im Auge war, der Kommissar, der Staatsanwalt, wohl auch der Rat Scheller, ihn nicht noch mehr ihre Abneigung fühlen lassen, würde er nicht noch einsamer sein, als jetzt schon?! – Werres seufzte. Dann dachte er wieder an die Worte des Sanitätsrats – „Das Leben verlangt Egoisten!!“ – Ein Klopfen an der Tür schreckte ihn auf. Es war Grosse, der andere Kriminalbeamte, den Werres sich für seine Zwecke ausgesucht hatte.

„Es hat ein bißchen lange gedauert, Herr Doktor“ – sagte Grosse vertraulich, nachdem er seinen Filzhut an den Kleiderhaken gehängt hatte – „aber die Sache war nicht leicht, nein, ich hatte sogar öfters Unannehmlichkeiten gehabt – aber nun bringe ich Ihnen auch ganz bestimmten Bescheid. Er zog sein dickes Notizbuch hervor und blätterte darin.

„Es gibt hier in der Stadt sechs bessere Restaurants, in denen in separierten Zimmern des öfteren gespielt wird. Ein Herr, wie Sie ihn mir beschrieben haben, soll regelmäßiger Gast bei „Helfrich“ in der Hundegasse sein, aber der Herr heißt leider nicht Werner und ist auch nicht Arzt.“

„So … na dann ist es eben der Gesuchte nicht – dann heißt es weiter suchen …!“ sagte Werres ohne jeden Mißmut in der Stimme.

„Ja, weiter suchen, Herr Doktor! Das Schlimme ist nämlich, daß es einen Arzt namens Werner hier in der Stadt gar nicht gibt …!“ Werres tat erstaunt.

„Nein – ich habe die Adreßbücher der letzten Jahre durchgeblättert und mich auch auf dem Einwohnermeldeamt erkundigt – der Herr existiert nicht …“

„Schade – das ist nun wieder nichts,“ sagte Werres bedauernd.

„Ja – schade um alle die Lauferei und dieses Ausfragen der Kellner! … Und wir kommen keinen Schritt vorwärts … und Herr Doktor wissen wohl schon, dabei wäre ein Stück Geld zu verdienen …!!“

„Ich weiß,“ sagte Werres kurz. Dann stand er auf und trat an das Fenster. „Wer ist denn eigentlich dieser Herr, der unserem verschwundenen Arzt Werner so ähnlich sieht?“ fragte er nach einer Weile. Der Kriminalbeamte sah nicht, welche Spannung sich auf dem Gesichte seines Vorgesetzten ausdrückte.

„Den werden Sie kennen, Herr Doktor,“ meinte Grosse lebhaft – es ist der zweite Kassierer der Friedrichsschen Bank …“

(Fortsetzung folgt)
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)