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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

Der Doppelgänger


Kriminalroman von Walther Kabel


(Nachdruck verboten)

(10. Fortsetzung)

Als Werres das erste Spiel gerade auflegte, kehrte Willert zurück. Werres zog ruhig das große Los ab, zahlte dem Oberleutnant Hilger seinen Gewinn aus und sah dann flüchtig, wie absichtslos nach der Uhr. Es war 13 Minuten nach zwölf – Willert hatte gelogen, er hatte sich von Hause in 8 Minuten, die er nur gebraucht hatte – denn als er fortging, zeigte Werres Uhr fünf Minuten nach zwölf – kein Geld holen können. Das überlegte Werres sich blitzschnell und deckte dann die Karten weiter auf.


15. Kapitel.

Willert hatte Paletot und Zylinder aufgehängt und war den Tisch getreten. Er schaute dem Spiele eine Weile zu, ohne sich zu beteiligen. Dann schenkte er sich ein Glas Bowle ein und goß es herunter, ein zweites ebenso … Die Nachtluft schien ihn ernüchtert zu haben, wenn auch das unruhige Flimmern in seinen Augen geblieben war. Nun qualmte er nervös eine Zigarette und schaute unschlüssig auf den Tisch, der mit Aschenresten, Bowlepfützen und den Geldhäufchen der Spielenden bedeckt war.

Werres ließ die Karten für ein neues Spiel mischen. Das Häufchen Gold vor ihm war angeschwollen; auch zwei Hundertmarkscheine befanden sich darunter. Dann kauften die Herren; der Gutsbesitzer mußte stark im Verlust sein, da er seine vier Karten mit einem 500 Markschein bezahlte und sich 400 Mark herausgeben ließ; es war nicht die erste Banknote, die er gewechselt hatte. Werres kniffte den Schein zusammen und schob ihn unter einige Goldstücke – eigentlich absichtslos. Dann wollte er die Karten auflegen. Da rief die heisere Stimme des Willerts: „Geben Sie mir noch vier Karten à 25 Mark …“ Er hatte bisher gezögert, nun schien die Leidenschaft des Spiels ihn wieder gefaßt zu haben. Werres langte ihm die vier verlangten Karten über den Tisch hin und eine leise zitternde Hand griff danach. Dann warf ihm Willert eine Banknote hin – und wieder klang seine Stimme merkwürdig gepreßt, als er sagte: „Es sind 500 Mark.“ Der Schein war zusammengefaltet und gleichgültig gab Werres, ohne ihn sich genau anzusehen, dem Kassierer die einzigen drei Hundertmarkscheine, die in seiner Kasse waren und noch 100 Mark in Gold heraus. Die Banknote, die er von Willert erhalten hatte, legte er oben auf die ungeordnet aufgeschichteten Goldstücke. Werres bemerkte, wie der Kassierer mit nervöser Unruhe seine Hände verfolgt hatte, als wollte er sich überzeugen, wo die Banknote blieb … Blitzschnell reihten sich die kombinierenden Gedanken in des Kriminalisten Kopf aneinander. Er mußte diese Banknote, die Willert soeben eingewechselt hatte, um jeden Preis an sich bringen – aber die Schwierigkeit war, dieses unauffällig zu tun und geschickt den von dem Gutsbesitzer ihm gegebenen 500 Markschein, den der Kassierer unter dem über ihn gehäuften Goldgelde kaum bemerkt haben konnte, gegen den anderen einzutauschen … Werres bemächtigte sich eine seltene Erregung; er, der sonst so kaltblütig überlegte, den die Geistesgegenwart kaum verließ – jetzt fühlte er, daß seine Nerven vibrierten und sein Denken sich verwirrte, gerade jetzt, wo er sichere Klarheit und schnelles Handeln so notwendig brauchte … Aber seine seltene Energie blieb Siegerin … und seine Stimme klang so gleichmütig als

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/32&oldid=- (Version vom 31.7.2018)