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Walther Kabel: Der Fall Wenkley. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 199–203

sizilianische Brigant Andreas Bonio eingefunden und den Chefredakteur zu sprechen gewünscht. Diesem erklärte er, er habe durch sorgfältige Ermittlungen festgestellt, daß die ganze Entführungsgeschichte des Sir Edward Wenkley nichts anderes als eine sehr geschickt inszenierte Mystifikation sei. Er habe, als die ersten Nachrichten über diesen angeblichen neuesten Banditenstreich durch die Blätter gingen, herausbekommen wollen, von welchen Konkurrenten ihm dieser fette Bissen weggeschnappt worden sei. Aber all seine Nachfragen unter seinen „Kollegen“ hätten keinerlei Ergebnis gehabt. Niemand kannte die Namen der drei Briganten, mit denen diese ihre an den englischen Konsul gerichteten Briefe unterzeichneten. Schließlich sei er daher auf die Vermutung gekommen, daß hier irgend ein grober Schwindel vorliegen müsse, und infolge seiner weitverzweigten Verbindungen habe er in Erfahrung gebracht, daß Sir Edward Wenkley den ganzen Entführungsplan selbst entworfen und mit Hilfe dreier jugendlichen Arbeiter des von ihm verwalteten Gutes ausgeführt habe. Diese von Wenkley bestochenen Leute hätten, als Banditen kostümiert, den Überfall auf die beiden Herren an vorher genau verabredeter Stelle unternommen. Der angeblich entführte Engländer sei dann während der acht Wochen seiner vorgetäuschten Gefangenschaft in einer einsam gelegenen Hütte im Gebirge verborgen gewesen und habe dort herrlich und in Freuden gelebt, wie leicht aus den dort vorgefundenen leeren Konservenbüchsen, Champagnerflaschen und ähnlichem zu erkennen sei. Zum Beweise für die Wahrheit seiner Angaben nannte Andreas Bonio die Namen der drei Helfershelfer Wenkleys, verließ darauf das Redaktionsgebäude und ebenso unangefochten die Stadt, trotzdem für seine Ergreifung eine Belohnung von tausend Lire von der Regierung ausgesetzt war[1].

Als die Zeitung mit dem sensationellen Artikel erschienen war, machten sich einige von Sir Edwards Bekannten sofort auf den Weg, um dem so schwer Angegriffenen, der sich bereits wieder auf das fürstliche Gut begeben hatte, die betreffende


  1. Bonio wurde am 2. September 1892 in Messina wegen verschiedener Morde hingerichtet.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Fall Wenkley. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 199–203. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Fall_Wenkley.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)