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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

Leib nach von uns fern sei. Sagen sie aber, dass er unsichtbar bei uns sei, so heisst das soviel, als dass die Substanz seines Leibes auf der Erde weile, während die Form desselben im Himmel sei. Bleibt man nicht dabei stehen, dass Christus, während Er dem Leibe nach ganz im Himmel bleibt, mit seiner Kraft zu uns herniedersteige, so verfällt man auf lauter Ungereimtheiten. Indem man von einem corpus Christi immensum spricht, nimmt man dem Leib seine Natur. Die immensitas des Fleisches Christi, von der man spricht, ist ein monstrum prodigiosum, das unsere Hoffnung der Auferstehung verstört, denn Paulus sagt ausdrücklich, wir erwarteten Christum vom Himmel, der unseren irdischen Leib verkläre, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leib. Es ist ihnen ärgerlich, wenn wir läugnen, dass Christus mit dem Brod zu einigen sei (sub pane locandum vel cum pane copulandum), wollen sie ihn denn vom Himmel herabziehen, damit er in einem Stück Brod eingeschlossen daliege? Diese Vorstellungen scheinen dem Calvin so ungereimt, dass er meint, wenn sie je einmal aus Unwissenheit oder in der Hitze des Streites seien vorgebracht worden, so sollte man das auf sich beruhen lassen, und sollte man die gesunde Lehre gelten lassen, damit man nicht genöthigt würde, Dinge aufzudecken, die besser zugedeckt blieben.[1]

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 Der Gang dieser Schrift ist sonach der: Calvin legt alles Gewicht darauf, dass auch nach seiner Lehre eine reale Mittheilung von Seite Christi im Abendmahl Statt habe und spricht so, als wenn der Streit sich nur um diesen Punkt bewegt habe. Auf die Hauptfrage, ob denn das, was nach ihrer Lehre mitgetheilt werde, dasselbe sei, was nach Luthers Lehre mitgetheilt werde, geht er gar nicht ein. Er hätte dabei stehen bleiben und etwa sagen können: da Luther immer nur dafür stritt, dass die Sacramente nicht nuda signa seien, so ist als gewiss anzunehmen, dass, wenn Luther jetzt noch lebte, er sich zufrieden gäbe und das sollen die Seinigen jetzt auch thun. Aber er geht weiter.


  1. Niemeyer 215: si quis inscitia lapsus est, si alter fervore contentionis abreptus inconsiderate aliquid effutivit, sepultum maneat. – Sinant ergo hominis isti nos modeste profiteri quod sanum et rectum est, ne eorum intemperie coacti retegamus eorum dedecora quae melius latent.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/193&oldid=- (Version vom 1.10.2017)