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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

Für diesen Fall hatten die Wittenberger sich selbst verrathen und hatten sich verrechnet, denn sie hatten den Kurfürsten keineswegs so weit gebracht, als sie in diesem Fall meinten. Hat aber Vögelin die Schrift eines Fremden und ohne Vorwissen der Wittenberger herausgegeben, so hat er, ohne es freilich zu wollen, Anlass gegeben, dass den Wittenbergern und Leipzigern die Maske abgerissen wurde, und hat er das schwere Gewitter, das jetzt über sie hereinbrach, heraufbeschworen: denn mochten sie auch die Autorschaft und das Mitwissen um die Herausgabe der Schrift in Abrede stellen, dass sie mit dem Inhalt derselben einverstanden seien, konnten sie nicht läugnen.

 Wenden wir uns nun zu der Schrift selbst und fragen wir nach ihrem Inhalt und ihrer Bedeutung.

 In ihr finden wir nichts, was die Theologen dieser Richtung nicht schon in früheren Schriften gesagt hatten, nichts, was die, welche sie kannten, hätte überraschen können, daher nahmen auch die lutherischen Theologen nicht viel Notiz von ihr, und nur zwei von ihnen, Wigand[1] und Heshus, schrieben dagegen. Aber der Standpunkt der Philippisten war darin mit einer Präcision dargelegt, wie nie zuvor; der Gegensatz gegen die Lehre Luthers und gegen die der jetzigen Lutheraner war darin scharf hervorgehoben und alles zusammengetragen, was zur Begründung ihrer Auffassung beitragen konnte[2]. Die Schrift enthält das vollständige Programm dieser Partei. Es ist dies der Hauptgrund, warum wir nur durch positive Beweise überzeugt werden könnten, dass die Schrift nicht von einem der Führer der Partei ausgegangen ist. Es wäre nicht undenkbar, aber doch zu verwundern, wenn ein diesem Kreis ferner Stehender vor Jahren schon das erste Programm entworfen hätte.

 Sehr bezeichnend ist es schon, dass die Schrift der Lehre vom Abendmahl die von der Person Christi und den Sacramenten überhaupt vorangehen lässt, und zwar aus dem Grunde, weil die


  1. Die Analyse der Wigandischen Schrift in Wigand de sacram. p. 409.
  2. Wigand l. c. 409. Prodiit typis excusa quaedam exegesis de coena Domini in quam tota doctrina sacramentariorum et omnia ipsorum argumenta in unum quasi acervum summo studio ac labore congesta sunt.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/294&oldid=- (Version vom 1.10.2017)