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Walther Kabel: Der Mann, der nichts von seinem Vaterlande wissen durfte. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 232–236

Damit erhob er sich und verließ das Hotel.

Dieser Leutnant, der von seinem, durch Parteizwistigkeiten zerrissenen Vaterlande nichts mehr wissen wollte, hieß Harald Bragg und stammte aus einer Familie, deren Mitglieder sämtlich begeisterte Anhänger der Antisklavereibewegung waren.

Er ahnte nicht, welch furchtbare Strafe seine unbedachte Äußerung nach sich ziehen sollte.

Das älteste Mitglied jener Tischgesellschaft des Charlestoner Hotels meldete den Vorfall an den Präsidenten der Union Abraham Lincoln und fragte an, in welcher Weise der sofort vom Dienst suspendierte Leutnant Harald Bragg zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Umgehend traf der Bescheid des Präsidenten in Fort Sumter ein, wonach der junge Offizier sofort an Bord der nordstaatlichen Fregatte „Karolina“, die gerade im Hafen von Charleston lag, geschafft wurde. Der Kapitän der „Karolina“ erhielt gleichzeitig eine versiegelte Order, was mit Bragg weiter zu geschehen habe. Dieser fürchtete schon, daß an Bord der Fregatte ein Kriegsgericht über ihn abgehalten werden würde, täuschte sich aber in dieser Annahme. Die Strafe, die der Präsident für ihn ausgewählt hatte, war anderer Art.

Auf der „Karolina“ ward Bragg der Säbel abgefordert, sonst durfte er seine Uniform weitertragen. Man wies ihm eine der Offizierskabinen auf dem Schiffe an, ließ ihn auch in der Offiziersmesse speisen – kurz, er wurde mit aller Achtung behandelt. Inzwischen war die Fregatte nach China abgesegelt, um dort als Stationsschiff in Hongkong die amerikanischen Interessen wahrzunehmen. Als man in Hongkong eintraf, wollte auch Bragg sich an Land begeben, um sich in der fremden Stadt umzuschauen. Die Erlaubnis dazu wurde ihm aber ohne Angabe von Gründen von dem Kommandanten des Schiffes verweigert. An einem der nächsten Tage blätterte er die in der Offiziersmesse ausliegenden neuesten englischen Zeitungen durch, um sich über die Weiterentwicklung des Streites zwischen den Nord- und Südstaaten seines Vaterlandes zu orientieren. Zu seinem Erstaunen bemerkte er da, daß in den Blättern gerade die Artikel ausgeschnitten waren, die über Amerika

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Walther Kabel: Der Mann, der nichts von seinem Vaterlande wissen durfte. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 232–236. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Mann,_der_nichts_von_seinem_Vaterlande_wissen_durfte.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)