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Walther Kabel: Der Mann, der nichts von seinem Vaterlande wissen durfte. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 232–236

handelten. Auf seine Frage, was das zu bedeuten habe, gab ihm ein Kamerad achselzuckend zur Antwort: „Auf Befehl des Kapitäns.“

Vergebens suchte er nun die Schiffsoffiziere in ein Gespräch über die politische Lage in Amerika zu verwickeln. Sobald er davon anfing, verstummten die Anwesenden und gingen auf ein anderes Thema über. Empört bat er um Aufklärung über dies Verhalten. Wieder die Antwort: „Auf Befehl des Kommandanten.“ Da ging dem jungen Leutnant eine furchtbare Ahnung auf. Er wollte Gewißheit haben, ließ sich bei dem Kapitän melden und trug sein Anliegen vor.

„Sie haben selbst damals in Charleston geäußert, daß Sie am liebsten nie mehr etwas von Ihrem Vaterlande zu hören wünschten,“ erwiderte der Kommandant ernst. „Präsident Lincoln hat nun bestimmt, daß dieser Wunsch Ihnen wörtlich in Erfüllung gehen soll. Sie werden nie wieder etwas über Nordamerika erfahren. Und damit dies genau durchgeführt werden kann, sind besondere Befehle erlassen, wie Sie behandelt werden sollen.“

Bragg schloß sich nun tagelang in seiner Kabine ein. Als er wieder an Deck erschien, hatte er sämtliche Abzeichen von seiner Uniform abgetrennt. Mit keinem der Offiziere sprach er mehr ein Wort. Nie kam er an Land. Die Zeitungen, die er erhielt, wiesen überall Lücken auf – die Amerika betreffenden Artikel waren ausgeschnitten. Ebensowenig erhielt er jemals einen Brief ausgehändigt. Er lebte nach seinem Belieben an Bord und war doch ein Gefangener. Trat er in die Nähe eines Truppes von Matrosen, die sich über die Vorgänge in Nordamerika unterhielten, so verstummte das Gespräch, denn auch die Besatzung bis hinab zum Schiffsjungen war eingeweiht.

Inzwischen war in Nordamerika tatsächlich der Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd ausgebrochen. Bragg wußte nichts davon. Für ihn existierte ja Amerika nicht mehr. Da lief am 2. April 1863 in den Hafen von Hongkong ein zweites amerikanisches Kriegschiff, die „Medusa“, ein. Wie Bragg hörte, sollte sie die „Karolina“ ablösen. Schon hoffte er, daß er nun mit der abgelösten Fregatte in die Heimat zurückkehren würde.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Mann, der nichts von seinem Vaterlande wissen durfte. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 232–236. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Mann,_der_nichts_von_seinem_Vaterlande_wissen_durfte.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)