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Vampirprozesse. Dorfbewohner wurden beschuldigt, die Leiche des angeblichen Vampirs heimlich ausgegraben und durch einen zugespitzten Pfahl an seinen Sarg festgenagelt zu haben, – also Leichenschändung … – Der Name Vampir wechselt je nach den Landesteilen, er wird auch Nachzehrer, Blutsauger, Gierfraß genannt … – Eine Abart des Vampirs ist die Willis, eine verstorbene Braut, die junge Burschen zum Tanze verlockt, bis sie tot umsinken … – Neuerdings ist auch in Siebenbürgen in den Ortschaften mit gemischt deutsch-ungarischer Bevölkerung der furchtbare Aberglaube an den weißen Maulwurf wieder aufgelebt, der auf die Zigeuner zurückgeführt wird. Auch diese Bezeichnung ist im Grunde nur eine Umgestaltung des Vampirs, freilich mit Eigenschaften behaftet, die noch abstoßender wirken, da der weiße Maulwurf nicht nur als Blutsauger und Mörder, sondern auch als Räuber auftritt, – für die Zigeuner eine sehr bequeme Verhüllung ihrer Schandtaten durch einen uralten Aberglauben. – Der Verfasser war persönlich im Jahre 1911 bei einer Gerichtsverhandlung in Klausenburg anwesend, in der fünf Raubmorde geklärt werden sollten, die sämtlich in dem nahen Dorfe Karpati an reichen Großbauern begangen worden waren. Während dieser Verhandlung (angeklagt waren drei Zigeuner) wurde der gesamte grauenvolle Spuk dieser sinnlosen Vorstellungen vom weißen Maulwurf gründlich erörtert. Es ergab sich folgendes Bild: Durch gewisse Beschwörungsformeln soll es möglich sein, einen Toten, der sich im Leben keines guten Rufes erfreut hatte, zu bewegen, seinen Sarg zu verlassen und sich durch die Erde bis zum Hause des auserkorenen Opfers hindurchzugraben, – daher „Maulwurf“. Was die Zusatzbezeichnung „weiß“ betrifft, so gab ein Fachgelehrter aus Klausenburg auch hierüber wichtige Fingerzeige. In Siebenbürgen kommen tatsächlich weiße Maulwürfe als Entartungserscheinungen häufiger vor, die Zigeuner stellen gerade diesen Albinos eifrig nach, da ein weißer Maulwurf mit bei den Beschwörungen benutzt

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Max Schraut: Der weiße Maulwurf. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1932, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_wei%C3%9Fe_Maulwurf.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)