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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

nicht verwinden können. Mögen sie Trost finde in dem Erblühen der heiteren Kinderschaar, welche ihnen des Himmels Rathschluß noch gelassen.

Eine fast alljährlich hier Anwesende vermisse ich diese Saison mit schwerem Herzen. Charlotte Birch-Pfeiffer, die sich schon im vorigen Sommer in ihrer „unfreiwilligen Equipage“ zum Brunnen führen lasten mußte, sie kommt nicht wieder, sie ruht aus in heimathlicher Erde. Selbst beim schwersten Leiden verlor die muntere Frau nie ihre gute Laune, mit beneidenswerthem Humor sprach sie über ihren Zustand, dessen Gefahr ihr kein Geheimniß war. Allem wußte die prächtige „Mutter Birch“, wie wir sie sämmtlich nannten, eine heitere Seite abzugewinnen, nie hörte man sie nach „Blaustrumpfweise“ von ihren Werken reden. Doch, wie ging ihr das Herz auf, wenn man vom „Wurm“ - diesen Spitznamen hatte ich ihrer talentreichen Tochter, der jetzigen Frau von Hillern, aufgebracht – zu sprechen anfing, stundenlang konnte sie bei diesem ihr theuren Thema bleiben. Und wie zudringlich konnte die sonst so bescheidene Birch werden, wenn es die Unterstützung ihrer Armen galt! Braves Herz, sei dir die Erde leicht! - Auch Küstner, der frühere Hoftheater-Intendant von Berlin, ist seit, einigen Jahren nicht mehr stabiler Curgast von Karlsbad, sondern seit lange ein stiller Mann geworden. Ein komischeres Original als den alten Herrn, ein wunderlicheres Gemisch von Großmuth und Geiz konnte man sich nicht denken. In Berlin pflegte er – öfters kleine Diners zu geben, bei welchen es nichts weniger als splendid herging, und wobei Grüneberger Champagner, Schattenseite, dritte Qualität, für die Gäste eine sehr unwillkommene Hauptrolle spielte. Bei einer solchen Tafel erbat sich Anton Ascher, der witzigste meiner Collegen, ihm das Eröffnen der ersten Flasche anzuvertrauen, weil er einige Worte zu sprechen wünsche. Nun ist Ascher im Improvisiren heiterer Tischreden, ein Unicum, daher eine solche Offerte von ihm stets hoch willkommen.

„Meine Herren,“ beginnt Ascher, den Bindfaden am Kork, dessen Draht, bereits durchgeschnitten, festhaltend, „meine Herren, erlauben Sie mir, daß ich das Wohl unseres freundlichen Wirthes ausbringe, in diesem edlen Getränk“ – hier knallt der Pfropf, Ascher führt das Glas an den Mund, aber setzt es sofort ab, heftig ausrufend: „Ich nehme mein Wort zurück!“ Nach einer Pause sagt er, wie einer, großen Gefahr entgangen, zu Küstner: „Welch’ ein Glück, daß keine Kinder im Hause sind, die zufällig. von dem Wein hätten trinken können! Das größte Unglück konnte entstehen.“

Man kann sich das Gelächter der Gäste denken, an denen nun der gefürchtete Champagnermoment vorüber ging, während der Hausherr mitlachend dem Diener den Auftrag gab, einige Flaschen echten Cliquots aus dem Keller zu holen.

Mein freundlicher Leser sieht, daß alle Menschenclassen hier in Karlsbad vertreten sind, wenn ich ihm auch nur die bekannteren Persönlichkeiten vorgestellt habe. Alle Länder der Erde, alle Stände stellen ihr Contingent hierher, nur der Abenteurer, der Spieler, der Glücksritter findet hier keinen ihm zusagenden Boden, der bleibt fort. Wer sollte aber denken, daß ein „Raubmörder“ vor zwei Jahren, den Versuch gemacht, hier Gastrollen zu geben? Zwei junge Bursche waren hier eingekehrt und hatten sich als „Studirende“ in die Fremdenliste eintragen lassen. Der Eine setzte seinen Stab bald wieder weiter, der Andere blieb. Da brachte eine Amerikanerin auf die Polizei die wunderliche Anzeige, daß sie auf einer der beliebtesten und belebtesten Promenaden, auf dem sogenannten Vieruhrweg, von einem jungen Mann um Almosen angesprochen worden sei, und daß der fremde, gut gekleidete Bettler, als sie von seinem Begehr keine, Notiz nahm, ihr mit einem Pistol nachgeschossen hätte. Die Sache erschien so unwahrscheinlich, so ungeheuerlich, daß man dieselbe für eine Ausgeburt amerikanischer Excentricität hielt und ihr wenig Beachtung schenkte. Den folgenden Abend kam die Familie eines angesehenen Badegastes von einem Ausflug heim, da bemerkte die Tochter, als sie ihr Zimmer betrat, bei bereits einbrechender Dunkelheit eine versteckte Mannsperson unter dem Sopha liegend. Das junge Mädchen hatte die Geistesgegenwart, scheinbar ganz unbefangen, ein Liedchen zu trällern und die Stube zu verlassen. Halb todt vor Entsetzen berichtete sie den Eltern, was sie gesehen. Man dringt in’s Zimmer und befiehlt dem Eindringling hervorzukommen. Da ertönt ein Knall, der junge Räuber hatte sich selbst gerichtet und durch die Brust geschossen. Den folgenden Tag starb er, nachdem er das Bekenntniß abgelegt, daß er allerdings auch nach der Dame im Walde geschossen habe. Der Bursche war der Sohn braver Eltern aus Wien, ein Handwerkerlehrling, welchen Genuß- Und Abenteuersucht auf den Weg des Verbrechens trieb. Man fand bei ihm einen baaren Vermögensbestand von zehn Kreuzern und die unbezahlte Gasthausrechnung.

Die vier Wochen sind um. Trotzdem sich unser Gesundheitszustand auf’s Erfreulichste gebessert, danken wir doch dem Himmel, daß wir das Pensum hinter uns haben. Wir fahren neu gestärkt und gekräftigt der Heimath zu. In Eger treffen wir einen witzigen, polnischen Juden, an dessen schlagfertigen Antworten wir uns in Karlsbad schon oft erfreut! Er reist in Geschäften nach Hamburg, seine Frau begleitet ihn an die Eisenbahn. „Lebe wohl, Isaak,“ ruft sie und reicht ihm noch einmal die Hand, „lebe wohl, reise mit Gott!“ - „Unsinn,“ antwortet Isaak, „Unsinn, Estherche! Wenn der liebe Gott mit nach Hamburg reist, so wird er nicht fahren dritte Classe!




Deutschlands große Industriewerkstätten

8. „Was verdrängt hat die Engländer von de Continente“.

Das Bedrucken - baumwollener Gewebe war eine alte Kunst der Indier und Aegypter, die sich von dort aus nach China, Arabien, Persien und Phönicien, nach den Ländern am kaspischen Meere, wo sie Herodot bereits vorfand, nach Griechenland und Rom verbreitete. Ueberall in diesen Culturstaaten der alten Welt lernte man bald derartige Gewebe nachahmen. In China bediente man sich der hölzernen Formen, die man mit der Farbenmischung bestrich und auf das Gewebe, abklatschte. In Aegypten war es die Rohrfeder, die, von der geschickten Hund, des Farbenmalers geführt, das Zeug illustrirte, oder der Pinsel, der in merkwürdigen, unregelmäßigen Windungen den, Stoff mit einer Substanz bemalte, welche die imprägnirten Stellen, desselben vor Annahme der Farbe bei dem nachfolgenden Ausfärben schützte, wie Plinius ausführlich berichtet.

Aehnlich wie bei den Aegyptern verfuhr man in Persien, wo nach alter Tradition noch heute die Werkstätte des Färbens und Druckens „Christuswerkstätte“ genannt wird, weil nach der Sage Christus ein Färber war, der es verstanden, aus ein und demselben Farbenbad verschiedene Färbungen zu gleicher, Zeit auf das Gewebe zu übertragen. – Von sidonischen Tüchern in prachtvollen Farben singt schon der alte Homer. In Europa zeigen sich die ersten Spuren dieser Kunst in Gallien, Deutschland und England. Durch die Kreuzzüge gelangte die Kenntniß derselben nach Italien, wo in Florenz der Zeugdruck eingeführt wurde. Im Jahr 1523 errichtete Hoffmann die erste deutsche Kattundruckerei in Augsburg. Dieselbe galt als eine „freie Kunst“, bis sie 1693 den Fesseln des Zunftzwanges unterlag. Eine größere Bedeutung gewann, die Kattundruckerei 1758 durch J. von Schüle in Augsburg, der es verstand, seine Kunst wesentlich zu verbessern und allmählich zu heben, obgleich er anfänglich, nur mit geringen Mitteln ausgerüstet, mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Bald gewannen jedoch die Augsburgischen Kattune von Schüle einen anerkannten Ruf. Die anfänglich in Deutschland beliebten Muster waren meist Darstellungen aus der biblischen Geschichte, Unter Anderm galt „Josua und Kaleb“, eine Weintraube aus Canaan auf ihren Schultern tragend, für ein sehr gesuchtes Dessin. Dieser Geschmack mußte jedoch den von der trefflichen Musterzeichnerin Friedrichs ausgeführten kleineren reizenden Arabesken und Ornamenten weichen. Schüle wußte auch die Farben besser zu befestigen und ihnen Leben einzuhauchen, so daß er bis zum Ende des letzten Jahrhunderts den Markt fast ausschließlich beherrschte.

Aber durch die Erfindung des mechanischen Webstuhls und

besonders durch die Walzendruckmaschine des Schotten Bell

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_442.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)