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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Dr. Julius Pabst schreibt ihr in Dresden in’s Buch:

„Bleib’, was Du bist, ein Spiegel der Natur!“

Dasselbe verlangt auf der nächsten Seite eine Freundin, vielleicht etwas mehr noch, indem sie beschwörend sagt:

„Ich bitte Dich, bleibe ledig, denn nur dann kannst Du bleiben, was Du bist.“

Ich fühle, daß sich in mir ein kleiner Bosheitsteufel regt auf diese vielleicht empirisch begründete Bitte der Freundin; ich heiße ihn schweigen und denke, daß es am besten sein wird, wenn ich überhaupt nicht viel mitrede in so berühmter Gesellschaft. Uebrigens sei nebenbei bemerkt, daß Friederike auch als Gräfin Prokesch-Osten geblieben ist, was sie war.

Ein sehr ernstes Gesicht muß Emanuel Geibel gemacht haben, als er folgende Strophe schrieb:

„Bleib’ Deinem Stern getreu, so wirst Du stets
Unüberwindlich sein! Doch hüte Dich,
Des Blutes Wallung, die im Auge Dir
Wie Strahlen schwirrt, für Deinen Stern zu halten.“

Da apostrophirt der alte Bauernfeld, der trotz seiner zahllosen Lustspiele doch von Zeit zu Zeit recht ingrimmig und mürrisch sein kann, seine kleine Freundin doch etwas munterer:

„Der neckische Kobold, das Nixlein fein
Sollen, heißt’s, ohne Herze, fühllos sein;
Ganz anders sich’s an Dir erweist:
Kobold mit Seele, Gemüth und Geist.“

Recht sinnige und herzliche Worte finden wir auch von dem nunmehr zur Ruhe gegangenen Wiener Dichter und Recensenten Arnold Hirsch:

„Selbst staub’ge Pergamente kann ich lieben,
Die einst ein Dichtergenius vollgeschrieben.
Denn aus dem Staube sind oft helle Funken
Mir zündend in die eig’ne Brust gesunken.
Und fühl’ ich so – wie liebt’ ich Dich dann nicht?
Du funkensprühend – lebendes Gedicht!“

Friedrich Halm schreibt:

„Ich will! Das Wort ist mächtig!
Ich soll! Das Wort wiegt schwer!
Das zweite spricht der Diener,
Das erste sprach der Herr!

Laß beide Eins Dir werden
Im Herzen ohne Groll;
Es giebt kein Glück auf Erden,
Als wollen, was man soll.“

Nach soviel Versen erklärt Hackländer: „Was vermag ich in schlichter Prosa gegen all diese wohlgereimten Schmeichelworte? Ihnen einmal tüchtig die Wahrheit sagen: daß ich die liebenswürdige Künstlerin, wie es alle Welt thut, liebe und verehre und daß sie mir unvergeßlich sein wird.“

Gar lustig tummelt sich in dem Buche das muntere Theatervölkchen. „Ach! hätte ich doch auch, gleich Dir, Dein einnehmendes Wesen!“ seufzt da ein Komiker, indem er auf ausverkaufte Häuser und geräumtes Orchester hinweist. Ein anderer liebenswürdiger College, Victor Moritz, schreibt: „‚Mit hunderttausend solchen Straßenjungen erobere ich die Welt.‘ (General Morin im ‚Taugenichts‘). Nein! gefehlt! hier muß es heißen: ‚Ein Straßenjunge eroberte sich die ganze Welt,‘ und der heißt: Friederike Goßmann. –

Leider muß ich sehen – gehst Du!
Lieber wäre mir es – bliebst Du!
Darum, wenn die Wahrheit ich soll schreiben,
So dächt’ ich: Du ließest das Gehen – bleiben!“

Das Ideal aller „Taugenichtse“, die hochbetagte Déjazet, schrieb eine Coupletstrophe in’s Buch:

„Venez un jour, venez chez nous,
Boire avec moi l’vin à quatre sous.
Nous sommes frères! il faut chez nous
Boire ensemble l’vin à quatre sous!“

Auf dieses „Nous sommes frères“ ist Friederike nicht wenig stolz, nicht weniger, aber auf das folgende von ihrer berühmten Lehrmeisterin beschriebene Blättchen: „Wenn die Götter dem Menschen Reichthum schenken, bedarf es des unechten Flitters nicht, womit die Armuth sich gern schmückt, um ihren Mangel zu verbergen. Du hast den Reichthum; Talent und Genie sind wie echtes Gold und reine Perlen. Verschmähe den Tand, den falschen Schmuck, zeige stets Deinen Werth und verwende ihn für das Edle! – Deine treue Mutter Constanze Dahn. – Felix Dahn schreibt kurz und bündig dazu: „Wahre Schönheit ist nur schöne Wahrheit.“

Die dritte Mutter Friederikens, Charlotte Birchpfeiffer, hat ein längeres Citat aus „Rubens in Madrid“ in’s Buch eingetragen; dazu fügt sie noch die kurzen innigen Worte: „Gott erhalte Dein Glück und Deine Liebe Deiner treuen ‚Mammi‘.“

Die „alte treue Haizinger“, die herzliebste Veteranin des Wiener Burgtheaters, hat einen Vers auf das „Kind“ gemacht:

„Talent! Talent! Du oft verbrauchtes Wort,
Was hörte Alles ich Talent schon nennen!
So wird es heißen fort und fort,
Als Menschen in’s Theater rennen.
Ich nenn’ Talent, was packt, erfreut und zündet,
Nur Eig’nes giebt, durch Eig’nes sich verkündet,
Du hast Talent! Du wardst dazu geboren,
Von Tausenden zur Mimin auserkoren.“

Und die Haizinger des Berliner königlichen Schauspielhauses versteigt sich gar zu folgendem

          „Recept.

Gieb’ dem pfiffigsten der Köpfchen
     Ein halb düst’res Augenpaar,
     Das auch lächeln kann und schmollen,
Ohne g’rad’ coquett zu sein.

Setze dann ein keckes Näschen
     In’s Gesichtchen so pikant,
     Die Figur, halb Kind, halb Mädchen, –
Sehr gracieuse, zierlich, fein. –

Mische dann dem Ganzen wieder
     Anmuth bei, Naivetät –
     Nimm ein Quentchen Knabensinn auch
Noch dazu und rasches Blut –
     Und Du hast dann das Persönchen,
     Grille, Kobold, Räthsel, Schalk,
     Das besiegt sogar die Starken,
     Glättet manche ernste Stirn,
     Selbst die Frauen sich gewinnet –,
     Wenn sie nicht zu neidisch sind. –
               Probatum est!

M. Frieb-Blumauer,
praktische Aerztin.“

Amalie Haizinger’s Tochter, die vielgefeierte Gräfin Louise Schönfeld-Neumann, hat Nachstehendes in’s Buch hineingeschwäbelt:

„E guter Humor is a Medicament,
Un’ könnt’ mer’n wie en Syrup verschreibe,
Die Doctor thäte viel mit vertreibe
Un’ ’s Wasserkurire hätt’ en End’.     (Kobell.)

Drum is mir for Dich, Du klee Weibche, net bang’,
Bei Dir hot er wahrlich zu G’vatter gestande,
Er führt Jung’ un’ Alte in Deine Bande
Un’ bleibt Dir aach treu Dein Lebelang.

Du hascht in der Jugend viel Glück schon erfahre,
Was soll mer Dir wünsche, die Jedermann liebt? –
Halt! Eens: Gott mög’ Dich vor Sorge bewahre,
Damit Dein Humor sich net e’mol trübt!

Wo auch Friederike Goßmann hinkam, wußte sie nicht nur durch ihre Kunst ihre Umgebung zu bezaubern, sie verstand es auch überall, Sympathien für ihre Person zu erwecken. Es sind gar oft überschwängliche Worte der Zuneigung, die ihre Kunstgenossen und -Genossinnen in das Buch niedergelegt haben. Die sonst reproducirenden Künstler werden hier zu producirenden, indem sie Gesänge auf das Glückskind dichten, dem sogar – unglaublich zu sagen – alle Collegen von Herzen gut sind. Die glänzendsten Namen des Burg-Theaters stehen hier unter schwärmerischen Huldigungen für die kleine Grille. Karl La Roche singt:

„Der Frühling naht und bringt uns Sonnenschein
Und grüne Waldespracht. Die warme Luft
Durchziehet würzig süßer Blumenduft,
Und Freude zieht in alle Herzen ein.
Nur nicht in uns’re, denn in dieser Zeit,
Wo jeder Vogel sonst sein Nestchen sucht,
Begiebt sich uns’re Schwalbe auf die Flucht
Und ziehet fort von uns, weit! ach wie weit! –
Und ohne Vogelsang kein Frühlingsglück,
D’rum zwingst Du uns, die an der Scholle kleben,
Den Vorzug vor dem Lenz dem Herbst zu geben,
Denn Du kehrst ja im Herbst zu uns zurück!“

A. Sonnenthal läßt sich nicht spotten; er beginnt als Hamlet, um zuletzt doch als rechter Liebhaber loszulegen:

„Ideale – oder Wahrheit?
Giebst sie beide zart vereint!
Ideal ist Dir Geliebter,
Die Natur Dein treuer Freund.
Glückliche! die den Geliebten
und den Freund im Leben fand;
Hochgepriesen – wer als Künstler
Mit der Kunst Natur verband!“
„O Natur, Natur, wie unwiderstehlich bist Du!“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_453.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)