Seite:Die Gartenlaube (1881) 730.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Das Leuchten lebender Wesen.

Von Carus Sterne.


2. Die Phosphorescenz im Thierreich

„Welch' leuchtendes Wunder verkläret die Wellen
Die gegen einander sich funkelnd zerschellen?
So leuchtet's und schwanket und hellet hinan:
Die Körper sie glühen auf nächtlicher Bahn,
Und rings ist Alles vom Feuer umronnen -
So herrsche denn Eros, der alles begonnen!
                                                                 Faust.“


Während die Zahl der leuchtenden Pflanzen eine leicht übersehbare bleibt, ist diejenige der Leuchtthiere Legion, und sämtliche Classen des Thierreichs sind unter ihnen vertreten. Namentlich gilt dies von den im Meere lebenden Thiere, unter denen Infusorien, Seefedern, Quallen, Würmer, Seesterne, Krebse, Sackthierchen, Muscheln, Schnecken und Fische, jegliches in seiner Art, zu jenem prachtvollsten aller Feuerwerke beitragen, welches man das Meeresleuchten nennt. Ueberall, von den Polen bis zum Aequator leuchtet das Meer in günstigen Nächten, wenn auch in den warmen Zonen am stärksten, und Dr. Noll in Frankfurt am Main sah im vorletzte Frühjahr sogar sein Seewasser-Aquarium im Zimmer von kleinen Leuchtwesen durchfunkelt, die bei einem hastigen Stoße aufblitzten. Denn eine gewisse Erregung, wie sie sonst der Wellenschlag hervorbringt, befördert das Aufleuchten, und da, wo der Kiel des Schiffes die Meeresfläche durchfurcht, oder eine Schaar Delphine sie im luftigen Getümmel aufwühlt, dort scheint das Wasser zum sprühenden Feuer geworden, und der fliegende Fisch zieht, wie eine Rakete, einen Funkenregen glühender Tropfen nach sich. Inmitten der kleineren Lichtpunkte, die das Wasser bei genauerem Hinschauen allwärts durchfunkeln, ziehen große Leuchtquallen oder Seewalzen und Leuchtfische, wie aus glühendem Metall geformt, daher, und Züge kettenförmig an einander gereihter Salpen bilden an der Oberfläche feuerige Schlangen von ungeheurer Ausdehnung.

Schleiden und andere Autoren haben in neuerer Zeit behauptet, im Alterthum müsse das Mittelmeer, welches jetzt so herrlich leuchtet, diese Fähigkeit nicht besessen haben; denn sonst ließe sich nicht erklären, weshalb weder Homer, noch Virgil, noch selbst Plinius dieser herrlichen Naturerscheinung gedenken. Allein schon im fünften Jahrhundert v. Chr. hat der karthaginiensische Seefahrer Hanno in seinem Periplus berichtet, daß er das Meer an der einen Stelle wie mit Feuerstrahlen brennend gefunden habe, und Plinius wie auch Aelian erwähnen ausdrücklich leuchtender Seethiere. Vom Mittelalter an beginnen dann die Versuche, das Meeresleuchten nach physikalischen Grundsätzen zu erklären. Baco von Berulam und Cartesius meinten, daß das Licht durch die Reibung der Meereswellen entstünde; Papin und Andere dachten an einen chemischen Proceß, der dann bald darauf als mit der Fäulniß abgestorbener organischer Substanz in Verbindung stehend aufgefaßt wurde. Inzwischen hatte man um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durch Filtration leuchtenden Seewassers mikroskopische Leuchtwesen entdeckt, und 1760 beschrieb Rigaud bereits das verbreitetste aller Leuchtwesen, die Noctiluca ein Gallertbläschen von weniger als Stecknadelkopfgröße, welches man jetzt zu den Urwesen oder Protisten rechnet und welches wegen seiner großen Häufigkeit den Hauptantheil am gleichmäßigen Leuchten des Meereswassers hat. Unter dem Mikroskope sieht man die Oberfläche dieses kleine Wesens, welches von äußeren Organen nur eine Schwimmgeißel aufweist, ganz mit leuchtenden Pünktchen übersäet, eine Anordnung der Leuchtkörperchen, die man unter Anderem auch bei einer kleinen kiemenlosen Nacktschnecke des Mittelmeeres. (Phyllirhoë bucephala) findet, welche, im Dunklen und unter einer starken Lupe betrachtet, auf ihrer gesammten Hautfläche mit unzähligen kleineren und größeren Leuchtpunkten überstreut erscheint. Bei anderen Leuchtthieren fand man, ähnlich wie bei den Leuchtwürmern und Insecten des Landes, die Leuchtorgane an besonderer Körperstellen localisirt und mit bestimmten Absonderungsorganen in Verbindung stehend; man entdeckte die Reizbarkeit dieser Organe durch mechanische, elektrische und Wärme-Einflüsse; sie wird sichtbar, wenn man das Wasser aufwühlt, aber auch wenn man das betreffende Thier im Dunklen direct einem dieser Reize aussetzt, und es knüpfte sich daran die Theorie einer elektrischen Natur dieser Leuchterscheinungen, die besonders durch Humboldt und andere Forscher über thierische Elektricität angebahnt wurde, aber inzwischen gänzlich wieder aufgegeben werden mußte, da sich die Electricität hierbei nur als ein Reizmittel wie jedes andere erwies.

Im Jahre 1834 stellte Ehrenberg in einer besonderen Schrift alles bisher Bekannte über die schon zu einer ziemlichen Zahl herangewachsenen Leuchtthiere des Meeres zusammen, ohne daß man sagen könnte, daß die Erscheinung dadurch an Verständlichkeit gewonnen hätte. Erst in neuerer Zeit, und zwar namentlich durch die unermüdlichen Forschungen des Professor Panceri in Neapel, des Franzosen A. de Quatrefages und der deutschen Physiologen Max Schultze und Pflüger ist in die Erscheinungen hinsichtlich des anatomischen und physiologischen Vorganges einige Klarheit gekommen. Es stellte sich dabei vor Allem Dreierlei heraus, nämlich daß das Leuchten erstens an einen besonderen, meist fettartigen und in Aether löslichen Stoff gebunden ist, der in besonderen Zellen abgelagert wird, zweitens, daß das Leuchten, respective das Hervortreten dieses Stoffes mit der thierischen Reizbarkeit zusammenhängt, und drittens, daß Lufterneuerungsvorgänge dabei im Spiele sind. Betrachten wir diese drei Grundbedingungen nach einander!

Daß es sich um eine besondere Leuchtsubstanz handelt, die von dem thierischen Körper ausgesondert wird und auch nach der Trennung von demselben noch fortleuchtet, wußten schon die Alten: Plinius beschreibt uns, wie der leuchtende Saft der eßbaren Dattelmuschel (Pholas dactylus), den die Flimmerzellen des oberen Mantelrandes absondern, nicht nur im Munde Derer leuchtet, welche das Thier essen, sodaß sie im Dunkeln wie Feuerfresser erscheinen, sondern auch die Finger leuchtend macht, während die herabfallenden Tropfen des Leuchtsaftes selbst noch am Boden und an den Kleidern leuchten, „sodaß,“ wie er wörtlich hinzusetzt, „klar zu Tage liegt, daß ihr Saft dieselbe Eigenschaft besitzt, die wir an ihrem Körper bewundern müssen“.

Der Leuchtstoff selbst ist namentlich bei dem Johanniswürmchen schon früh durch Macaire, Schnetzler und viele andere Chemiker untersucht worden; der Letztere stellte schon vor mehreren Jahrzehnten fest, daß das Leuchten des vom Körper getrennten Stoffes in Luft und Sauerstoffgas in erhöhtem Grade fortdauert, dagegen ganz wie dasjenige der Leuchtpilze in reinem Wasserstoff-, Stickstoff- und Kohlensäuregase alsbald erlischt. Dieselben Beobachtungen sind in späterer Zeit von Matteucci und anderen Forschern bestätigt worden, und es knüpfte sich früh die Meinung daran, daß das Leuchten durch lebendiges Eiweiß bewirkt werde, welches Phosphor, Phosphorwasserstoffgas oder eine andere phosphorhaltige Verbindung ausscheide, die sich in Berührung mit dem Sauerstoff der Luft oxydire. Diese, wie gesagt, ziemlich alte, aber unhaltbare Ansicht ist noch im vorigen Jahre durch den französischen Naturforscher Jousset de Bellesme in einer Arbeit aufrecht erhalten worden, die er der Pariser Akademie der Wissenschaften vor einigen Monaten vorgelegt hat.

Die Annahme, daß nur die lebende Materie leuchte, wird schon durch das Beispiel der Dattelmuschel widerlegt, deren Saft sich aus dem abgeschnittenen Manteltheil sogar eintrocknen läßt und beim Befeuchten mit Süßwasser mehrmals hinter einander zum Wiederaufleuchten gebracht werben kann, aber unzweifelhaft steht das Leuchten mit dem Lebensproceß in directem Verhältniß, ja scheint sogar, wie Kölliker und Panceri, sowie andere Beobachter gefunden zu haben glauben, unter dem Einflusse des Willens zu stehen. Jouffet de Bellesme hat in dieser Beziehung ein interessantes Experiment gemacht, indem er Johanniswürmchen mittelst eines flachen Schnittes der Kopfganglien, das heißt also der Centralorgane des Willens beraubte. Die noch lebenden Thiere leuchteten dann nicht mehr von selbst, sondern nur in Folge äußerer Reize, und zwar sowohl mechanischer, wie der besonders bequem anwendbaren elektrischen Reize. Auch hierbei leuchtete das elektrisch erregte Organ lebhaft auf, aber nur wenn es sich in atmosphärischer Luft oder Sauerstoff befand, nicht aber in Stickstoff, Kohlensäure oder Wasserstoff. Daß aber der Reiz auch in anderer Weise, als durch den Nerv fortgepflanzt werden kann, beweisen diejenigen Leuchtthiere, welche, wie die Noctiluken und niederen Pflanzenthiere, kaum Andeutungen eines Nervensystems besitzen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 730. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_730.jpg&oldid=- (Version vom 5.11.2022)