Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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Guten Morgen, mein Herzchen! bin wieder in Havannah, gemüthlich eingewohnt in Mr. Woolcotts gutem Hotel Havannahhaus, wo es jetzt etwas billiger zu leben ist, weil der Strom der Reisenden sich zurückgezogen hat, und Zimmer genug da sind. Ich habe mein früheres Stübchen mit dem Ausgang auf das Dach, und die artige, gutmüthige Mrs. Marie, die nach mir sieht, und eine schönäugige, schwarze Rosetta, die mich bedient. Die guten Tolmes haben mir wieder ein Zimmer angeboten, aber das Haus ist voll von Kindern und Gästen, ich will ihre Gastfreundschaft nicht mißbrauchen, und überdieß befinde ich mich hier unendlich wohl in meiner Einsamkeit und Freiheit.
Es ist grüner Donnerstag, ein großer Festtag für die Katholiken, und ich habe heute Morgen ein paar Kirchen in der Stadt besucht. Es war große Parade darin. Ballmäßig gekleidete Damen, auf hübschen Teppichen knieend, in Seidenkleidern und Seidenschuhen, mit Juwelen, goldenem Geschmeide und Blumen, mit bloßen Hälsen und Armen. Ueberall diese feinen, schwarzen Mantillen und rings umher glitzernde Fächer in ewiger Bewegung. Auch ganz junge Mädchen sind so ausgestattet. Außerhalb stehen zuschauende und lorgnettirende Herrn. Der Anblick dieser geschmückten, bloß halb verschleierten Weiber von allen Farben — es waren auch sehr hübsche Mulattinnen, prächtige Gestalten unter ihnen — die schaarenweise im mittleren Gang der Kirche bis zum Altar hin auf den Knieen liegen, ist wahrhaft anziehend, zumal da die Augen und Büsten
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/223&oldid=- (Version vom 15.9.2022)