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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

Geschmeide in den Haaren und am Halse aus, und paradirten darin in stolzer Pfauenweise. Man sah, daß das Volk irgend ein großes Spectakel erwartete. Es kam auch in der Dämmerung bei Licht und Fackelschein.

Das todte Christusbild wurde herumgetragen, auf dem Paradebett liegend, unter einer ungeheuern Lichtkrone, welche das bleiche, edelgeformte Wachsgesicht beleuchtete. Hinter ihm wurde die weinende Maria in goldgesticktem Sammtmantel und mit goldener Krone auf dem Kopf umhergetragen; auch die andere Maria und Maria Magdalena hatten prunkende Toiletten. Die Prozession war groß und nicht ohne Pomp und Würde. Unter den Theilnehmern bemerkte ich eine Menge Neger mit großen weißen Binden, schief über Brust und Schulter. Man sagte mir, sie gehören einer Art von Freimaurerorden an, der sich durch Ausübung von Werken der Barmherzigkeit, Krankenpflege in den Spitälern u. s. w. an die Kirche anschließe.

Tausende von Menschen drängten sich fröhlich auf Markt und Straßen, die Schwarzen besonders in alle Farben des Regenbogens gekleidet. Es war ein schöner Auftritt, aber man kann sich nichts Unpassenderes für die Gelegenheit denken. Kein Anflug von Ernst schien diese Volksmenge zu erregen. Man sah es an dieser Prozession deutlich: Die Religion ist todt auf Cuba.

Inzwischen war gestern Festtag und tiefe Stille in dem muntern Havannah. Heute früh wurde in großer Prozession das Bild des auferstandenen Christus von der Domkirche nach der St. Catalinakirche gebracht. Von St. Catalina hinwiederum zog eine andere Prozession, welche Maria Magdalena trug, die weinend Christum suchte. Als die Prozessionen sich begegneten und Maria Magdalena also Christum zu sehen bekam, wurde ein Schuß abgefeuert, und sogleich

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/226&oldid=- (Version vom 15.9.2022)