Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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Eine von ihnen hörte ich gestern Abend, und ist die andere, die ich heute Abend hören soll, von demselben Schrot und Korn, wie ich vermuthe, so verspreche ich mir wenig Freude davon. Es ist merkwürdig, wie lähmend das Sklavereiinstitut auf die Jugend und auf gewöhnliche Intelligenzen wirkt, und der junge Redner von gestern Abend gehörte zu diesen letztern. Er war ein Jüngling mit feinen Zügen, von einem gewissen aristokratischen Ausdruck, aber ohne eigentlichen Adel darin. Man rühmte ihn wegen sehr guten Studien und ungewöhnlichen Rednertalents. Seine Rede strömte wirklich mit brausender Raschheit dahin; aber ein solches Geprahle über die Vereinigten Staaten Americas, ein solch pompöses Großsprechen vom Süden und des Südens Söhnen, „der Blüthe und Hoffnung der Union,“ nein, das war unerträglich! … Das einzige Hinderniß für die Größe, das Wachsthum und die wunderbar mächtige Zukunft der Vereinigten Staaten war — der Abolitionismus. Er war dieser Scorpion, diese Hyder im socialen Leben der Vereinigten Staaten, die man zertreten (der Redner stampfte heftig auf den Boden) und vernichten mußte; dann erst konnten der Süden und der Norden wie zwei mächtige Ströme sich vereinigen und gemeinsam ihrem großen ehrenreichen Ziele zueilen.
Was dieses ehrenreiche Ziel sein sollte, hörte ich nicht sagen, aber die Studenten, die in großer Menge versammelt waren, müssen es verstanden haben, denn sie applaudirten stürmisch und jede heroische Apostrophe auf den Heroismus und den Edelsinn des Südens rief eine Klatschsalve hervor. Nach der Rede erneuerten sich diese zu verschiedenen Malen und schienen kein Ende nehmen zu wollen. So zufrieden waren die Söhne
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/402&oldid=- (Version vom 4.12.2023)