Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
|
des Südens mit dem Redner, mit einander und mit sich selbst.
Ich verließ den Saal mit betrübtem Herzen. Soll ich denn in den Sklavenstaaten nicht treffen, was ich bis jetzt geglaubt hatte, nämlich eine edle, freisinnige Jugend, welche die Verheißung künftiger Befreiung in sich trägt? Werde ich immer und immer wieder unter jungen Männern diesen Mangel an richtigem Blick, an Muth und Redlichkeit finden müssen?! Ich habe keine Lust den Redner heute Abend zu hören. Ich bin dieses alten Liedes müde.
Ich habe eine große unerwartete Freude gehabt; ich habe ein neues Lied singen gehört und … doch ich will Dir das in Ordnung erzählen.
Ich saß da wieder in dem vollgedrängten Saal bei Kerzenschein, und der Jüngling, der sprechen wollte, saß allein auf der erhöhten Estrade gegenüber der Versammlung, während diese zusammenkam. Es währte eine gute halbe Stunde, und mir schien, als müsse die Lage des Jünglings, der so allein dasaß und allen Blicken ausgesetzt war, nicht ohne Verlegenheit sein, und ich fragte mich, ob dieses Gefühl es sei, was einen gewissen Schleier über seine Augen werfe. Er war ein hochgewachsener Jüngling, von schönem kräftigem Gliederbau, schien mir jedoch noch nicht vollkommen ausgewachsen zu sein; sein Gesicht war rein und gut, nicht regelmäßig schön, aber dennoch schön mit seiner jugendfrischen Farbe und seinen bestimmten Zügen. Neugierig suchte ich aus ihnen die Seele des Jünglings zu erforschen. Aber diese lag wie verschleiert da. Die Stirne war offen, das Haar dunkelbraun und üppig.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/403&oldid=- (Version vom 4.12.2023)