Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band.djvu/426

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

umherhüpften und fröhlich zwitscherten. Die Gegend war hier unendlich hübsch und romantisch. Und Shenandoahs Wogen sind trotz ihrer Seichtigkeit krystallhell.

Weiter unten in Thal auf dieser Seite ist eine große Gewehrfabrik, wo eine gewaltige Thätigkeit herrscht. Auf dem Hochland lagen die Wohnungen der Arbeiter, kleine steinerne Häuser, gut gebaut, alle einander gleich und schöne Aussichten darbietend.

„Wir sind hier alle gleich,“ sagte ein junges Weib in einer dieser Wohnungen, wo ich ausruhte, zu mir. Wir haben alle dieselben Bedingungen.” Diese waren ganz gut. Wir saßen in einem Wohnzimmer, wo Alles comfortabel und sogar zierlich aussah. Die junge Frau hatte ein Knäbchen auf dem Arm. Gleichwohl war sie nicht glücklich; das war mir sogleich klar. Etwas in ihrem sanften, melancholischen Ausdruck sagte mir, daß sie nicht glücklich verheirathet war. In einem andern Hause machte ich die Bekanntschaft einer ältern Frau, welche das Gepräge des tiefsten Kummers trug. Sie hatte ihren Gatten verloren und er war die Freude ihres Lebens gewesen. Sie sprach davon auf eine Art, welche mich veranlaßte meine Thränen mit den ihrigen zu vermischen.

Während der schönen Abende waren die Hausthüren gewöhnlich offen, und die Weiber standen davor mit ihren kleinen Kindern, oder saßen sie außen und nähten. Ich machte zuerst mit den Kindern, dann mit den Müttern Bekanntschaft.

Alle gleich in Glücksloosen und dennoch diese Ungleichheit des innern Glückes! So ist es immer. Aber diese innere Ungleichheit erträgt sich leichter, als diejenige, die durch Kastenvorurtheile verschuldet wird. Sie erregt weniger Murren und weniger Bitterkeit.

Eines Abends war eine Hochzeit unten im Flecken, und von den Gebirgswohnungen her wandelten festlich

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/426&oldid=- (Version vom 6.12.2023)