Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band.djvu/457

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

wir in einen geräumigen Saal geführt, wo ungefähr 20 gut gekleidete junge Mädchen von einer Lehrerin unterrichtet wurden. Diese Lehrerin, die ich Dora nennen will, war noch ganz jung und von seltener Schönheit. Auch hatte ihre Gesichtsfarbe nicht die Blässe, die bei den Frauen in diesen Gesellschaften gewöhnlich ist; ihre Wange war frisch wie die Morgenröthe, und ein schöneres Augenpaar als das ihrige habe ich nicht gesehen; sie ließ die kleinen Mädchen eines von ihren symbolischen Spielen aufführen.

Man stellte sie in einen weiten Kreis, jede drei bis vier Schritte von der andern entfernt. So begannen sie melodisch Verse zu singen, die ich nicht wortgetreu wiedergeben kann, deren Inhalt aber folgender war:

Soll ich hier alleine stehen,
Niemand haben, der mich liebet,
Niemand haben, der mein Freund ist,
den ich wieder lieben könnte?

Hierauf näherte sich ein Mädchen einem andern, sie nahmen sich bei den Händen, legten sie an ihre Herzen und sangen:

Nein, o komm, Du liebe Schwester,
komm, ich will Dir nahe sein,
will Dir treue Freundin sein,
Deine Sorgen sind die meinen,
meine Freuden sind die Deinen,
hier wird Niemand ausgeschlossen,
aus dem trauten Schwesternkreise.

Alle Kinder reichten einander die Hände und bewegten sich in langsamem Kreistanz, indem sie die letzten oder ähnliche Worte wiederholten. Hierauf rückten sie immer näher zusammen und umflochten einander mit ihren Armen, bis sie wie ein Blumenkranz

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/457&oldid=- (Version vom 8.12.2023)