Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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Ich habe jetzt mit Anna W. meine letzte Spazierfahrt auf dem schönen Muschelweg bis zum Pontchartrainsee angestellt. Die Luft war lieblich und der Himmel sah wieder mit blauen Augen auf uns zwischen Wolken hindurch, die sich immer mehr entfernten. Der Muschelweg geht meistens durch niedrige, noch wilde Waldung. Man sieht hier nicht unsere schönen, moos- und waldbekleideten Berge und Hügel, aber aus dem Dickicht des Waldes schauen überall die schönen Palmettopflanzen empor mit ihren großen, fächerartigen Blättern, die im Winde wogen. Das Regelmäßige und Graciöse in den Formen mehrerer halb tropischen Pflanzen, die eine neue Phase der Erdvegetation verkünden, lockt mich mit großer Zauberkraft an.
Morgen, morgen meine Agathe, gehe ich an Bord des großen Dampfschiffes Philadelphia und in drei Tagen bin ich auf Cuba. Ich freue mich unaussprechlich dahin zu kommen, um diese neue Schönheit zu sehen, um eine mildere Luft zu trinken und um die Winterwochen über diesem amerikanischen Clima zu entfliehen, dessen Veränderlichkeit meine geistigen sowohl als körperlichen Kräfte angreift. Ich bin während meiner dießjährigen Reise in Nordamerika körperlich um zehn Jahre älter geworden.
Sei jedoch unbesorgt um mich, mein Herzchen, sondern vertraue gleich mir auf meinen Reisekobold, diesen lieben Freund, der mich wohlbehalten durch alle Gefahren geführt hat, der mich ohne die mindesten Abentheuer über den ganzen Missisipi, just als fünf Dampfboote nebst ihren Passagieren auf seinen Fahrwassern in die Luft flogen, bis nach New-Orleans kommen und aus dem Hotel Saint-Charles in diese gute Wohnung einziehen ließ am Tag, bevor es ein
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/78&oldid=- (Version vom 20.8.2021)