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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

gezeigt, und erst vor Kurzem ließ er sich in einem Streit mit Benton zu einer ähnlichen Rohheit wie dieser selbst hinreißen. Aber nur für einen Augenblick. Die Heftigkeit, die bei Clay ein Paroxismus ist, ist bei Benton Natur. Der erstere wird dazu gereizt, der letztere greift ihn mit beinahe unglaublichem Uebermuth damit an. Clay wird davon überrascht, Benton hat sie stets bei der Hand.

Heute, als ich ungewöhnlich spät in den Senat kam, sprach Clay. Man hatte nicht erwartet, daß er sprechen würde. Aber ein Vorfall während der Discussion hatte ihn hingerissen, und ich sah ihn jetzt in einem der Augenblicke, wo sein leidenschaftlicher Ernst unwillkürlich die ihn umgebende Versammlung mit sich riß oder ihr imponirte. Er stand mit geschlossenen und emporgehobenen Händen, mit aufwärts gerichtetem Gesicht da, und mit einer Stimme, deren Pathos und Wohllaut ich erst recht schätzen lernte, betheuerte er die Reinheit seiner Absichten und versicherte, daß er nichts Anderes als das Wohl des Vaterlandes bezwecke. „Was sollte auch mich verlocken können?“ fügte er hinzu. „In meinem Alter steht man dem Himmel näher als der Erde; denn man ist zu nahe daran die letztere zu verlassen, als daß man auf ihr einen Lohn suchen möchte. Das Zeugnis meines Gewissens ist das einzige, was mich im Kampfe stärken kann.“[WS 1] Alle schwiegen. Ich empfand tiefes Mitgefühl mit dem verlassenen Kämpen, der so allein hier unter vielen Feinden, vielen schadenfrohen Zuhörern stand und nicht einen einzigen Freund um sich hatte. Aber diese Vereinsamung ist die höchste Größe auf Erden, wenn man den höchsten Richter zum Freund oder wenigstens zu seinem einzigen Vertrauten hat.

Am Montag soll Clay seine letzte große, vielleicht seine Sterberede in der Californischen Frage halten, worauf sie vermuthlich bald auf die eine oder andere

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/119&oldid=- (Version vom 4.8.2020)