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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

entwickelt werden und das Ziel erreichen; und gelöst von der Erde kann er dem neuen Licht, ja dem ewigen Licht zwar mit Anbetung begegnen, aber ohne Verwunderung, ohne sich verblüffen zu lassen, denn er war schon hier in seinem Reiche heimisch und kannte seine Natur schon lange. „Dasselbe Licht, dieselben Schatten!“ Geliebte Sterne, Schwesterwelten in demselben Licht, in demselben Vaterhaus — wie nahe, wie theuer seid ihr mir geworden ! … Denn herrscht auch in diesen Welten wie auf der Erde noch immer Dunkel und Mißlaut, so weiß ich doch, daß der Meister lebt, der das Dunkel vom Lichte trennt und den Mißlaut in vollkommenen Accorden lösen wird. Sah ich nicht eines Tags in Ihrem Hause, mein theurer Freund, eine Menge in Unordnung auf einer Glasscheibe zerstreuter Sandkörner durch einen musikalischen Ton zur schönsten, sternartig symmetrischen Klangfigur geordnet? Eine Menschenhand führte den Strich welche den Ton hervorbrachte; aber wenn der Strich von der Hand des Allmächtigen ist, wird nicht der Ton desselben die Sandkörner, als da sind Menschen, Gesellschaften, Staaten, zu einer harmonischen Klangfigur bringen? Er wird die Welt zur Schönheit und Harmonie ordnen und „kein Mißlaut und keine Klage wird mehr sein“, das sagen uns die vernünftigsten Ahnungen aller Völker, das haben Sie uns gesagt in der wissenschaftlichen Gewißheit von der „Wesenseinheit der Vernunft im ganzen Weltall“, das hat Er selbst uns gesagt in seiner Offenbarung als ewige Liebe. Und darum sehe ich unter den wechselnden Erscheinungen des Lebens durch alles Dunkle und Chaotische, durch alle Sterne und in allen Sternen, durch alle Thränen — auch durch meine eigenen — überall die Klangfigur, den ewigen Stern, das Kind der Harmonie, die bleibende Welt Gottes und das Reich des Menschen. Und darum weine ich, bin aber dennoch froh.

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/181&oldid=- (Version vom 23.9.2020)