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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

kroch deshalb beständig aus dem ersten heraus und trat ganz sachte und zuversichtlich in seiner adamitischen Unschuld in den Kreis der Frauenzimmer, die weiter weg im Salon beim Lampenschein saßen und plauderten oder nähten. Hier wurde er von der Mutter an seinem halben Hemdchen ergriffen (ungefähr wie unsere Magd eine Henne am Flügel nimmt, wenn sie sie in den Stall sperren will) und so durch das Zimmer zum Bett zurückgetragen, wo sie ihn als Küchlein hineinsteckte mit ein paar tüchtigen Klatschen und sodann mit der Decke zudeckte. Vergebens. Er zeigte sich alsbald wieder über der Decke und trotz den Brüdern und Schwestern, die ihn mit einem Schlagregen übergossen, richtete er sich mit Füßen und Händen arbeitend immer höher auf, und bald stand mein krausköpfiger kleiner Amor wieder auf den Füßen und spazierte in den Frauenzimmerkreis herein, ebenso schön, ebenso zuversichtlich, ebenso ungenirt von Kleidern oder Scham, wie das erstemal, und er wurde da von einem lauten Lachen empfangen, von der Mutter aber aufs Neue ergriffen und mit einer neuen Portion Schläge, die aber zu gelind waren, um einen sonderlichen Eindruck zu machen, abermals unter die Decke gesteckt. Dieser Auftritt erneuerte sich binnen zwei Stunden 6-7 Mal jeden Abend. Etwas Geheul und Gemurre lief zwar auch mitunter, aber im Allgemeinen war die Beharrlichkeit und der ruhige Humor des kleinen Amors ebenso ausgezeichnet wie seine Schönheit. Doch verzeih, dieses Gemälde ist just nicht nach Deinem Geschmack, aber Du hättest es hier sehen sollen.

Jetzt von dem Schauspiel außer dem Haus und unterwegs. Ein Stück unter St. Louis auf dem Missisippi sahen wir den stattlichen dreideckigen Dampfer St. Louis mitten auf dem Grunde sitzen. Wir brausten unbekümmert vorüber. Es war ein schöner und sonniger Tag. Die Landschaft an den Ufern hatte

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/421&oldid=- (Version vom 20.8.2021)