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ihren Wunsch, indem er die Frau mit einem Knaben beschenkte.

Derselbe Sagenzug findet sich nicht nur in der talmudischen Sage, sondern auch bei den Zigeunern[1], aufgezeichnet aus dem Munde der Zigeuner in Bukarest: „Der König schickte zu ihr (der Jungfrau) und sagte: er möchte sie zur Frau nehmen. Das Mädchen aber sagte: er möchte ihr schriftlich die Erlaubnis geben, sich, wenn er sie verstoßen sollte, das, was ihr am liebsten wäre, aus dem Palaste mitnehmen zu dürfen. Der König ging darauf ein, heiratete sie und lebte ein Jahr mit ihr, worauf er sie verstoßen wollte und ihr sagte: „Packe deine Sachen zusammen, nimm dir auch das, was dir am teuersten ist, mit und geh!“ Sie packte nun ihre Sachen zusammen bis es Mitternacht wurde und der König eingeschlafen war. Darauf nahm sie den König, legte ihn in einen Wagen und führte ihn in ihre Hütte. Als der König früh aufwachte und sich in einer Hütte fand, rief er: „O Schwester, wo bin ich denn, wo hast du mich hingeführt?“ „Hierher, Bruder, zu mir habe ich dich gebracht; hast du mir doch selbst schriftlich die Erlaubnis erteilt, was mir am teuersten im Palaste sei, mitnehmen zu dürfen.“

Hans Ferd. Maßmann erzählt in der von ihm herausgegebenen Kaiserchronik[2] zwei ähnliche Sagen von der Weibertreue aus den Niederlanden und Baden.

Wie einzelne Sagenzüge in der Volkssage wandern, erkennen wir z. B. an folgendem: Die deutsche Sage erzählt, daß Elfen, Geister und namentlich Zwerge Vogelfüße haben und zwar Enten- oder Gänsefüße, die sie für gewöhnlich mit einem Mantel u. dergl. zu verdecken suchen. So wurden einem Hirten immer die Kirschen gestohlen; um die Diebe zu entdecken, streute er Asche unter die Bäume und am andern Morgen sah er in der Asche die Spuren vieler


  1. Vgl. Wuck Stephanowitsch Karadschitsch, Volksmärchen der Serben. Berlin 1854. S. 61. u. Gaster, Zur Quellenkunde deutscher Sagen und Märchen in Bartschs Germania XXV. 1880.
  2. Quedlinburg 1849–1854. Bd. III. S. 1113. Vgl. weitere Literatur in V. Schmidt, Balladen und Romanzen der deutschen Dichter. S. 21–28. – W. Hertz, Deutsche Sage im Elsaß. Stuttgart 1872 S. 111 ff. u. 261 f. Anm. 1. – Bernheim, Die Sage von den treuen Weibern zu Weinsberg (Forschungen zur deutschen Geschichte XV Heft 2.)
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Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)