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Gänsefüße – es waren die Zwerge gewesen[1]. Ein Schweizer Hirtenknabe wohnte unten bei den Elfen in der Erde; als er sich aber in ihr Badezimmer schlich und bemerkte, daß sie Gänsefüße hatten, wurde er im selben Augenblick geblendet und wieder auf die Erde versetzt.

Dieselben Züge finden wir in der jüdischen und arabischen Sage bei Erzählung des Besuchs der Königin von Saba bei Salomo. Die arabische Erzählung[2] sagt: „Er (d. h. Salomo) wollte aber auch, ehe er einen näheren Umgang mit ihr pflegte, über ihren Körper im reinen sein und sehen, ob sie wirklich Eselsfüße habe, wie ihn mehrere Satane glauben machen wollten; er ließ sie daher durch einen Saal führen, dessen Boden von Kristall war, unter welchem Wasser floß mit allerlei Fischen. Balkis (der arabische Name der Königin), welche nie einen kristallenen Boden gesehen, glaubte, sie müsse durch das Wasser waten, hob ihr Kleid bis zu den Knien auf, und Salomo erblickte zu seiner großen Freude einen regelmäßig gebildeten Frauenfuß.“

Eine andere arabische Sage[3] erzählt, daß die Dschinnen die schöne Königin bei Salomo angeschwärzt hätten, sie habe Haare auf den Füßen. Ähnlich ist die indische Sage in dem Mahabharata[4]. Der Fortgang und Ausgang ist in beiden Fällen ungefähr wie eben mitgeteilt. Selbst im Koran hat diese Sage Aufnahme gefunden.

Die jüdische Sage im Targum scheni (= Erklärung zum Buche Esther, spätestens aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts stammend) sagt, daß sich Salomo in ein Glashaus setzte und die Königin meinte, er sitze im Wasser, deshalb ihre Kleider schürzte und so Salomo den von ihm beabsichtigten Anblick ihrer Füße bot – doch diese waren mit Haaren bewachsen.

So sind hier manche ähnliche Züge zwischen der orientalischen und deutschen Sage gegeben, doch eine weicht davon ab. Die deutsche Sage von der Königin von Saba[5]


  1. Grimm, Deutsche Sagen I. Nr. 150. (aus dem Munde eines Bernerischen Bauern, mitgeteilt nach Wyß, Volkssagen).
  2. Vgl. Gustav Weil, Biblische Legenden der Muselmänner. Frankfurt a. M. 1845. S. 267.
  3. Vgl. Gaster, a. a. O. S. 293 nach: Hammer, Rosenöl I. S. 162.
  4. Vgl. Gaster, a. a. O., nach Liebrecht, Zur Volksk. S. 115.
  5. Nach dem Gedicht von Sibyllen Weissagung a. d. 14. Jahrh.
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Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)