Seite:Die Sage-Karl Wehrhan-1908.djvu/77

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Höhlen, einige selbst tief unten in den Schachten, sie beleben die einsame Heide und den stillen Wald sowohl als das fruchtbare Feld und die menschlichen Wohnstätten, sie sind zu finden selbst noch auf den kalten Gletschern der Alpen und erfüllen die lieblichen Täler und grünbekränzten Teiche und Seen mit ihrem Reize. Sie sind nicht so plump und unbeholfen wie die Riesen, haben auch menschliche Gestalt, aber sind häufig zarter und winziger; es klebt ihnen meistens ein Hauch jener zarten Dufthülle an, die sie dem Gesichtskreise des Menschen plötzlich entziehen kann. Sie leben auch im allgemeinen ganz nach Menschenart, bilden Familien und Völker und treten schon damit mehr in den Kreis menschlichen Lebens und Verstehens; so kommen sie auch viel mehr als andere Sagenwesen mit den Menschen in Berührung, bald ihre Tätigkeit fördernd, bald sie hemmend, bald Glück, bald Unglück bringend, oft gütig, oft tückisch des Menschen Wege kreuzend. Ihrer Körpergestalt nach können sie schön und glänzend, aber auch klein und übelgestaltet sein. In einer oder der anderen Form finden wir sie bei allen wichtigeren Arbeiten, in freudigen und trüben Stunden, bei Hochzeiten und Tod, bei Saat und Ernte, in Not und Gefahr auftreten. Zuweilen treten sie aber an den Menschen heran, um für sich selber Hilfe zu erheischen. Erzürnt, können sie dem Menschen mit bösem Schlage gefährlich werden. Die meisten Elfen lieben Musik und Tanz, und die Sage weiß viel von dem verführerischen Reize bestrickender Elfenmelodien zu erzählen. Besonderen Reiz gewähren die Sagengebilde, welche uns von dem Eingehen des innigsten Verhältnisses zwischen Elben und Menschen beiderlei Geschlechts berichten, vor allem der Liebeszauber zwischen den engelschönen Lichtelfen und stattlichen Jünglingen der Menschen. Zu den feinsten Gebilden gehören die Saligen oder die seligen, wilden oder heidnischen Fräulein der Hochgebirge der Alpen, die sich in leuchtender Schönheit vor ihren Felshöhlen zeigen und nicht nur Beschützerinnen der flüchtigen Gemsen, sondern auch der weidenden Herden mit ihren Hirten sind und ihre glockenhellen Lieder weit über Alm und Joch erschallen lassen. Die Elfen sind allesamt Feinde des Modernen, und jeder Änderung in ihrer Umgebung abhold. Das Pochen der Bergleute, viele neu erstehende menschliche Wohnstätten, das christliche Glockengeläut und der menschliche Verkehr vertreiben

Empfohlene Zitierweise:
Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/77&oldid=- (Version vom 31.7.2018)