O. Schell, Der Asberg bei Honnef und die Sage vom wilden Jäger (Kölnische Volkszeitung Nr. 769 v. 17. IX. 1905. Sonntagsbeilage Nr. 38). –
Von den weiblichen Göttergestalten kehrt vor allem die frühere Hauptgöttin, die Frau Holle und Holda in Nord-, Frau Berta in Süddeutschland, die weiße Frau in Gesamtdeutschland in der Sage wieder[1] und heißt Oster-, Bergjungfrau, Fru Freen, Frien, Freke, Harke, Harre, Gode, Wand, im Süden Fru Fasten, Fronfastenweib. Von diesen Figuren ist Frau Holle besonders auch dem Märchen bekannt. Sie kann schön sein, weiß glänzend mit üppig wallendem Lockenhaar und herrlich bis zum Ideal weiblicher Schönheit, der Venus. Sie kann auch häßlich sein, alt, langnasig, groß- und lückenzahnig, strupphaarig; nach einigen ist sie vorne schön, hinten häßlich. Angetan ist sie mit weißem Schleier, blauem, grauem oder weißem Gewande. Sie ist oft traurig, oft glücklich und froh mit den Menschen bei Tanz und Spiel, erscheint aber auch als strafendes Wesen, besonders bei faulen Spinnerinnen und Wäscherinnen. Überhaupt liebt sie Flachs und Hanf und Arbeit; darum schenkt sie fleißigen Dirnen Spindeln und spinnt ihnen nachts die Spule voll, während sie den faulen den Rocken anbrennt oder beschmutzt. Wenn Fastnacht gesponnen wird, mißrät der Flachs; dann muß alles abgesponnen sein, sonst segnet sie nicht. Man schreckt Kinder mit ihr, sie wirft Kinder ins Feuer, holt vor allem ungetaufte Kinder; aber sie hat auch ein Kinderparadies in einem Berge, wo sie auch andern Toten lieblichen Aufenthalt gewährt, wohin sie aber auch manchen lebenden Menschen lockt, der dann meistens in ihrer Gewalt bleibt. Sie reicht hier einen Trank, besitzt einen Brau- oder Schatzkessel, ruft ihren Schweinen, kann sich in eine Schlange verwandeln, wird gefangen und dann von einem Hirten oder Schäfer auf romantische Weise aus einem Bergschloß oder Burgkeller erlöst. Oft zieht sie mit dem wilden Jäger umher, oft wird sie von ihm gejagt; sie jagt auch selber, und der getreue Eckart zieht vorauf. Sie verwirrt den Menschen Haare und Verstand; ein Ungekämmter, Unordentlicher „ist mit der Holle gefahren“; ihr Schlag bringt
- ↑ Vgl. E. H. Meyer, a. a. O., S. 347. 348.
Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/93&oldid=- (Version vom 31.7.2018)