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Schwellung, ihr Griff Entzündung hervor; sie schleudert ihr Beil auf Menschen, schneidet Menschen den Bauch auf und füllt ihn mit Haar- oder Flachswickeln.

Bei ihren Umzügen, vor allem in den Jahrzeitwenden, führt sie Wagen, Schlitten, Pflug oder auch ein Schiff mit sich; besonders viel zieht sie im Winter, in den Zwölfnächten umher. Sie zieht dann wieder in ihre Wohnung zurück, die sich meistens in einem Berge befindet. Ein solcher ist vor allem der Hörselberg bei Eisenach, in welchem sie in freundlicher, ja verführerischer Weise eine glänzende Unterwelt beherrscht und irrende Ritter, wie den Tannhäuser, zu sich lockt, der so wenig erlöst wird, als ein dürrer Stab wieder Blüten trägt. Vom Ursel- oder Urschelberge in der Schweiz wird Ähnliches erzählt. Die Berge heißen auch Venus- oder Vrenisberge.

Wie die Lurlei, die schöne goldlockige Jungfrau oder Elfe des Rheines, und wahrscheinlich auch die scheintote, von einem Diebe aufgeweckte und zu ihrem Gemahl zurückkehrende weiße Frau hierher gehört, so auch die aus den meisten alten Schlössern der Fürstengeschlechter bekannte weiße Frau, die Ahnfrau vieler edler Familien. Die bekannteste ist wohl Agnes, Gräfin zu Orlamünde, die zur Strafe für freventlichen Kindermord wiederkehren muß; aber, wie gesagt, auch sonst erscheint sie, sowohl in süddeutschen, böhmischen und norddeutschen Schlössern, z. B. in Berlin und Detmold.


Literatur: Weiße Frau. Sage und Geschichte der weißen Frau (Histor. polit. Bl. LXVI. S. 299–313). – A. Kuhn, Die Sage von d. w. Frau (Ztschrft. f. dtsche. Mythologie. III. 1855. S. 368–392). – Joh. Jac. Rohde, De celebri spectro, quod vulgo d. w. Fr. nominant. Königsberg 1723. – A. Körner, Die Sage v. d. w. Frau oder Kunigunde, Gräfin zu Orlamünde, Nürnberg und Plassenburg. 3. Auflage. Tübingen 1864. – L. Kraussold, Die w. Frau u. der orlamündische Kindesmord. Eine Revision der einschlagenden Dokumente (Archiv f. Oberfranken. 1869. Heft 1). – J. G. Födisch, Die Sage v. d. w. Frau in Böhmen (Mitteil. d. V. f. Gesch. d. Dtschn. in Böhmen. IX. 1871). – V. Lommer, Die Sage v. d. w. Fr. (Wartburg-Herold. I. 1896. S. 170 f.) – Fr. v. Krones, Bertha von Lichtenstein geb. Rosenberg [† 1476] und d. Sage v. d. w. Fr. Brünn 1897. – W. Schwartz, Der Schimmelreiter u. d. w. Fr. Ein Stück deutscher Mythologie (Ztschrft. d. V. f. Volksk. VII. 1897. S. 225–244). –


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Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/94&oldid=- (Version vom 31.7.2018)