Es dient zum Verständnisse der römischen Reduktion, dass in den Reduktionen zweier anderer Städte, des umbrischen Tuder und des apulischen Luceria, ein fortgesetztes Herabsinken des Gewichts wie in Rom nicht statt hatte. Tuder und Luceria besassen nicht wie Rom eine correlate Silbermünzung, auf die sie ihr Kupfer hätten fundiren können. Bei ihnen war Kupfer die alleinige Währung, blieb daher Wertgeld und musste als solches wie in der Libralzeit, so auch in seiner Reduktion das einmal angeordnete Gewicht beibehalten. Anders in Rom, wo der reduzirte As gegenüber dem Silber den Charakter kupfernen Kreditgeldes angenommen hatte. Für Kreditmünze ist begrifflich eine Grenze des Mindestgewichts überhaupt nicht gegeben.
Die Bedeutung der römischen Reduktion ist bisher in hohem Grade überschätzt worden, glaubte man doch in ihr eine völlige Zerrüttung des urbanen Münzwesens erblicken zu müssen. Eine andere Betrachtungsweise war auch in der Tat kaum möglich, so lange man sich Rom während der Reduktionszeit auf diese immer wertloser ausgebrachten Münzen als auf seine einzige legale Geldsorte beschränkt dachte. Wie wenig jedoch diese Vorstellung zutraf, ergibt sich nicht nur aus dem bereits Gesagten, sondern aus der ferneren Tatsache, dass die Reduktion auch in örtlicher Beziehung eine durchaus beschränkte war; sie galt nur für die Hauptstadt und die mit ihr im Vollbürgerverband vereinigten Gemeinden. Auf das weite Latinergebiet hatte die Reduktion keinen Bezug; im Gegenteil wurde gleichzeitig mit ihr das Gewicht der von Rom für die Latiner gegossenen Schwergeldreihen gegen früher noch erheblich gesteigert. Hierauf wird zurückgekommen werden. Es erübrigt noch die oft gestellte Frage eines mit der Reduktion etwa verbundenen Schulderlasses.
Die Möglichkeit eines solchen kann nicht in Abrede gestellt werden; denn wenn auch die Reduktion recht eigentlich das Gegenteil eines Staatsbankerottes war, indem sie uns Rom vielmehr im Übergange zum Edelmetall begriffen zeigt, so ist es doch eine Frage für sich, ob nicht mit der Reduktion möglicher Weise ein Schulderlass für die Privaten gegenüber dem Staate und für die Privaten untereinander verbunden gewesen sein könne, darauf berechnet eine schwer verschuldete Bevölkerung mit einem Male von der Hälfte, also von 50% ihrer Verbindlichkeiten zu entlasten. Die Nachrichten der Schriftsteller über derartige Schulderlasse, wie sie so oder ähnlich allerdings vorgekommen sein mögen, sind unklar und verworren und beziehen sich sämtlich erst auf eine spätere Zeit. Ein Anhaltspunkt für die Vermutung, dass auch in der hier in Rede stehenden Zeit eine solche Massnahme Platz gegriffen haben könne, ist jedoch in der Überlieferung einer in den Jahren 288–286 stattgehabten secessio plebis vorhanden (Livius, Epitome libri XI). Näheres über die Lösung der damaligen Schwierigkeiten ist nicht
Ernst Justus Haeberlin: Zum Corpus numorum aeris gravis. Verlag der „Berliner Münzblätter“, Berlin 1905, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Systematik_des_%C3%A4ltesten_R%C3%B6mischen_M%C3%BCnzwesen.djvu/45&oldid=- (Version vom 31.7.2018)