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wollten, die ersten Keime zu ihrem eigenen Glücke zu werden bestimmt sind!

Wohlan denn! die Aufgabe der von Privaten zu erhoffenden moralischen Einwirkungen liegt also offen vor; sie besteht darin, diejenigen, welche in unserer Nähe leben, mit denen wir irgendwie in Beziehung stehen und auf welche wir einigen Einfluß auszuüben vermögen, dahin aufzuklären, daß sie der Vortheile, welche jene Institute auch ihnen darbieten, recht deutlich sich bewußt werden. Und dieser moralische Einfluß, wie wir ihn soeben bezeichnet haben, muß von allen Puncten ausstrahlen, von allen Stimmen, selbst denen in den bescheidensten Lebensstellungen, geübt werden; denn uns Allen, ob vornehm, ob gering, liegt die Pflicht ob, denen, welche im Irrthume leben, mit unserm Theil guten Rathes beizustehen, sowie wir je unsern Antheil Almosen denen schulden, welche derselben bedürftig sind.

Was geschieht indeß meistens, wenn man, ich meine nicht mit einem Betrunkenen, sondern mit einem Menschen zusammentrifft, der dem Trunk ergeben ist und zu dem man in einiger Beziehung steht? ... Man treibt fast immer nur seinen Scherz mit ihm, lacht ihn aus, oder man bezeigt ihm auch wohl die Verachtung, welche seine schimpfliche Neigung uns einflößt, ohne sich aber irgend Mühe zu geben, einige von den guten Gefühlssaiten, welche jeder Mensch, er sei wer er sei, in seinem Busen bewahrt, bei ihm anzuschlagen.

Wir fragen nun, ist dieß das geeignete Mittel, um in dem, der sich von seiner Neigung verlocken läßt, das bessere Selbst zu erwecken? Nein, sicherlich nicht! Der Scherz und die Verachtung werden ihn nur reizen, erbittern und seine Begierde zum Soffe nur noch steigern, denn er wird nun sich dagegen zu betäuben suchen, und so muß dann auch der letzte Rest von sittlichem Gefühl, das sich in ihm noch regen möchte, verschwinden.

Aus den leider nur zu zahlreichen beklagenswerthen Beispielen, welche meiner Erfahrung aus dem Leben von Arbeitern zu Gebote stehen, werde ich hier nur drei

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Édouard Burdel; Übersetzer: Johann Heinrich Gauß: Die Trunksucht. Bernhard Friedrich Voigt, Weimar 1855, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Trunksucht.pdf/93&oldid=- (Version vom 31.7.2018)