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ungenießbar. Daß R. Mengs durch dieses Bild an Giorgione erinnert wurde, kann ich mir nur daraus erklären, daß eben kein Maler so sehr verkannt worden ist und noch immer verkannt wird wie gerade Giorgione. Das Gesicht ist ganz verputzt und dann übermalt, der Mund ist durch den Restaurator schief und einfältig geworden; die auf dem Buche ruhende Hand hat nicht die Form der Hände des Correggio, überdies vermisse ich unter anderm auch den dem Meister eigenen fetten Farbenauftrag. Will man nun dieser Ruine von einem Porträt durchaus einen Namen geben, was immer räthlich ist, da ohne Namen das Publikum nichts mit einem Bilde anzufangen weiß, so greife man zum Namen des Dosso, dem es auch in der That einst angehört haben mag[1].

Und nun komme ich endlich mit klopfendem Herzen zur Besprechung der h. Magdalena des Correggio, No. 153. Nach Pungileoni soll Correggio dieses Bild um’s Jahr 1533, also ein Jahr vor seinem Tode, gemalt haben; das ist aber bloß Vermuthung. Zum Vorschein ist diese Magdalena erst im Anfange des 18. Jahrhunderts gekommen.[2]

Von allen dem Correggio beigelegten Werken ist wohl diese „liegende Magdalena“ der Dresdner Galerie eines der bekanntesten, beliebtesten und daher auch durch Kopien am meisten vervielfältigten Bilder[a 1] der Welt. Ich muß nun offen gestehen, daß trotz ihres Nimbus mich diese Magdalena stets kalt gelassen hat.


  1. Schon Herr Direktor Julius Meyer hat in seinem geistvollen Buche über Correggio dieses Porträt für unecht erklärt, und ich begreife wahrlich nicht, wie die Direktion der Dresdner Galerie das Urtheil eines mit Recht so hochgeachteten Kunsthistorikers bisher so ganz und gar unbeachtet lassen konnte. Man vergleiche die Hand auf diesem Porträt mit den Händen der Kirchenväter auf dem echten und vorzüglichen Werke des Dosso, No. 138, und man wird die nämliche Struktur, ja sogar dieselbe rundliche Form des Nagels auf beiden Bildern antreffen.
  2. Siehe J. Meyer: Correggio.

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Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/172&oldid=- (Version vom 31.7.2018)