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gnädige Frau, erwärmen sich und schwärmen ja nicht für die Realität, sondern für ein Traumbild ihrer Phantasie und diese göttliche Gabe der Einbildungskraft läßt uns gerade das sehen, was wir zu sehen wünschen. Was mir aber durchaus unmöglich zu sein scheint“, fuhr ich nach einer Pause fort, „ist, diese Dresdner Magdalena für ein Werk eines so großen italienischen Malers, wie doch Correggio war, anzunehmen. Auch ist ja dies Bild“, fügte ich zuletzt hinzu, „auf Kupfer gemalt, und kein italienischer Maler hat vor dem Ende des 16. Jahrhunderts je dieses Materials zu seinen Bildern sich bedient.“

„Nun, hat nicht Sebastiano del Piombo auch auf Kupfer gemalt? Lesen Sie doch gütigst im Vasari nach“, erwiderte mit selbstzufriedenem Lächeln die sehr belesene Dame.

„Sie haben recht, gnädige Frau. Vasari sagt allerdings im Leben des Sebastiano veneziano, dessen erinnere auch ich mich, daß derselbe nicht nur auf Stein gemalt, sondern auch den Beweis geliefert habe, daß man ebenfalls auf Silber, Kupfer, Zinn und andere Metalle malen könne. Vasari hütet sich aber wohlweislich, uns auch nur ein einziges Gemälde auf Kupfer von Sebastiano del Piombo zu citiren, und ich erlaube mir daher, jener von ihm in der Hast des Schreibens hingeworfenen Bemerkung kein Vertrauen zu schenken. Auf Schieferstein hat Sebastiano öfters gemalt, und solcher Malereien kenne ich selbst mehrere, ein Gemälde auf Kupfer jedoch von irgend einem namhaften italienischen Maler aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist mir völlig unbekannt, so sehr ich auch darnach mich umgesehen habe[1].“


  1. In manchen öffentlichen Gemäldesammlungen findet man allerdings Bilder auf Kupfer, die vom Kataloge italienischen Meistern, welche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelebt und gewirkt, zugeschrieben werden; so wird unter andern in der Galerie des Louvre noch immer eine h. Familie (No. 167) dem Dosso Dossi zugemuthet, stellt sich aber, näher betrachtet, vielmehr als vlämische Arbeit heraus; dasselbe gilt von der „Pietà“ (No. 1209), BROZ. FAG. bezeichnet, in der Galerie degli Uffizi zu Florenz, daselbst dem Bronzino zugeschrieben. Ich könnte noch eine Reihe solcher auf Kupfer gemalten Kopien nordischer Maler, die in öffentlichen Sammlungen als Originale dem Publikum vorgestellt werden, anführen, fürchte aber damit meine Leser nur zu ermüden.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/177&oldid=- (Version vom 31.7.2018)