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Die Substitution des Kupfers für die Holztafel und die Leinwand scheint zuerst in der Malerschule von Antwerpen eingeführt worden zu sein, und ich nenne Ihnen die Namen des Martin de Vos, des Bartel Spranger, des ältern Pourbus, des R. Savery, der Brill, der Bruegel, von denen allen Sie Bilder auf Kupfer finden können, keines aber von italienischen Meistern aus der goldnen Zeit der Kunst.“

„Die Kritik“, bemerkte trocken die Dame, indem sie ihren Shawl sich auf den Schultern zurecht machte, „die Kritik ist wie das Feuer, das alles zerstört, was es mit seiner Zunge beleckt. Kürzlich hat sie getrachtet, unsere herrliche Madonna von Holbein einzuäschern, heute wagt sie sich an den andern Juwel dieser Galerie, die weltberühmte Magdalena des Correggio. In Rußland, wo man dem Nihilismus huldigt, mag so etwas möglich sein, in unserm Deutschland jedoch, wo es, Gott sei Dank, noch so viele und so tüchtige Kunstgelehrte und Forscher giebt, werden solche giftige und perfide Versuche stets zu Schanden werden. Papa, gehen wir weiter.“

Will der Leser mir noch ein paar kurze Bemerkungen über die Dresdner Magdalena des Correggio gestatten, so möchte ich zunächst die Frage aufwerfen, ob überhaupt Antonio Allegri je eine am Boden liegende lesende Magdalena gemalt habe? Daß eine „büßende“ Magdalena in seinem Atelier entstand, wissen wir ganz bestimmt[1], wo


  1. Das ergiebt sich aus einem Briefe vom 3. September 1528 der Veronica Gambara an Beatrice d’Este, siehe „Correggio“ von Julius Meyer, S. 219.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/178&oldid=- (Version vom 31.7.2018)