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Hübner hegt starken Zweifel an der Echtheit dieses Tizianischen Gemäldes; in der That hat dasselbe sehr gelitten und die Lasuren darauf sind fast ganz verschwunden. Nichtsdestoweniger glaube ich doch, daß es ursprünglich das Werk Tizian’s gewesen sei.

Von den Nachahmern Tizian’s ist in der Dresdner Galerie namentlich Polidoro veneziano gut, ja besser wie in jeder andern Galerie, vertreten. Die ihm vom Kataloge zugeschriebenen zwei Bilder, No. 265 und 266, sind nicht nur echt, sondern sie sind zugleich sehr charakteristisch für Polidoro, dessen Werke gewöhnlich andern Meistern zugeschrieben werden.

Das erstere stellt einen venezianischen Edelmann dar, der sein Kind der Madonna weiht, indem er dasselbe dem h. Joseph übergiebt; zur Rechten steht Magdalena, welcher das Kind ein Kränzchen reicht; im Hintergrunde der Schutzengel.

Im zweiten ist die „Verlobung der h. Catharina von Siena mit dem Christkinde im Beisein des h. Andreas“ dargestellt.

Zu Tizian’s Nachahmern gehört auch der dritte Bonifazio oder Bonifazio veneziano, welcher in seiner spätern Zeit, d. h. nach 1570, die Manier seiner Verwandten und Lehrer, Bonifazio I. und II., verließ und Tizian sich zum Vorbilde gewählt zu haben scheint. Das Bild No. 262, Maria mit dem Kinde, welches sich nach der h. Catharina wendet, im Beisein der Heiligen Antonius und Joseph, erscheint mir als Arbeit dieses Bonifazio veneziano aus seiner letzten Epoche. Schwach und verputzt.

Vom berühmten Bergamaskischen Porträtmaler, Giovan Battista Moroni und nicht Morone, wie Herr Hübner ihn nennt, finden wir unter Nummer 267 das Bildniß eines Mannes, die rechte Hand in die Seite gestützt, vom Jahre 1557, die beste Epoche dieses Meisters. Dies Porträt, wiewohl trefflich gemalt, ist jedoch höchst

Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/226&oldid=- (Version vom 31.7.2018)