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langweilig in der Auffassung und läßt den Moroni nicht im besten Lichte erscheinen.

Besser dagegen ist ein anderer Bergamaske, Andrea Previtali, in dieser Galerie vertreten. Sein Bild, Nummer 2388, gehört zu den neueren Acquisitionen und stellt die Madonna mit dem Christkinde und dem kleinen Johannes dar. Es ist bezeichnet: A . . . eas (Bergo) mensis, 1510; also vom Meister noch in Venedig gemalt, denn nur gegen Ende dieses Jahres kann derselbe die Hauptstadt verlassen haben und nach seiner Heimat Bergamo zurückgekehrt sein. Von 1511[1] bis 1525 sind


  1. Die Herren Cr. und Cav. (I, 279) lassen mit Unrecht, wie mir scheint, den Previtali erst im Jahre 1515 in Bergamo sich festsetzen. Im Hause Terzi zu Bergamo sah ich vor Jahren ein Madonnenbild, Andreas Previtalus 1511 bezeichnet – ein Beweis, daß er in diesem Jahre in Bergamo war; hätte er es in Venedig gefertigt, so würde er Andreas Bergomensis gezeichnet haben. In der Kirche „del Conventino“ bei Bergamo liest man auf einem Zettel unterhalb des h. Constantinus: Andreas Privitalus, 1512. Der „Cristo trasfigurato“, ein Bild, welches aus der Kirche delle Grazie in Bergamo in die Breragalerie nach Mailand kam, trägt den Namen: Andreas Previtalus, 1513. Dieses Bild war nie in der Kirche von San Benedetto, wie die Herren Cr. und Cav. sagen, sondern war schon zur Zeit des Anonymus des Morelli (Seite 52) in der „Chiesa delle Grazie“. Endlich liest man unter dem kleinen Bilde, den „Gekreuzigten“ darstellend, in der Sakristei der Kirche von S. Alessandro della Croce in Bergamo den Namen Andreas Previtalus und das Jahr 1514.
    Die Historiographen der italienischen Kunst, die Herren Cr. und Cav., behaupten andererseits, daß die Bilder des Previtali zuweilen auch ein lombardisches Aussehen (look) hätten (I, 279). Worin diese lombardische Physiognomie in den Bildern des Previtali bestehe, wüßte ich wahrlich nicht zu errathen. Sie sagen ferner, daß Previtali in manchen seiner Werke auch die Manier des Basaïti und des V. Catena angenommen hätte; eine Ansicht, die freilich nicht unbegründet ist im Munde solcher, die wie sie Bilder des Catena dem Previtali zuschreiben. So nehmen die Herren, um hier ein paar Beispiele solcher Täuschungen anzuführen, das hübsche Bildchen in der Galerie des Fürsten Giovanelli für ein Werk des Previtali und ebenso die „Beschneidung“ in der Galerie Manfrin zu Venedig. Das erstere Gemälde stellt Maria zwischen Heiligen dar und trägt die falsche Aufschrift „Joannes Bellinus.“ Die h. Jungfrau ist eine Kopie von der Maria im Bilde des Giambellino, vom Jahre 1507, in der Kirche von S. Francesco della Vigna in Venedig. Beide Bilder, sowohl das im Hause Giovanelli als jenes in der Galerie Manfrin, haben nichts mit Previtali zu thun, sondern dürfen als Werke des Catena betrachtet werden, aus der Zeit etwa, als er das Bild von Sa. Maria Mater Domini malte. – Andere Male verwechseln die Historiographen den Previtali mit dem Cariani, wie in der Freskolunette über der Seitenthüre der Kirche Sa Maria Maggiore in Bergamo; wieder ein ander Mal schreiben sie Malereien des Previtali dem Pellegrino von San Daniele zu, wie z. B. im Palazzo ducale von Venedig, wo sie den „Christus im Limbus“ (dort dem Giorgione (!!) zugemuthet) dem Previtali zuschreiben, kurz, die Herren Cr. und Cav. machen aus diesem trockenen, redlichen, eintönigen Bergamasken eine Art Chamäleon, der bald in der Tracht Cariani’s, bald in der des Catena, heute als Pellegrino di San Daniele, morgen als L. Lotto sich dem Publikum vorstellt.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/227&oldid=- (Version vom 31.7.2018)