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Meisters verschwand[1]. Was jedoch den alten Ferraresen von Tura an bis auf die Schüler Costa’s ausschließlich eigen war, ist der Aufbau der Thrones der Madonna in zwei Theilen und zwar in der Weise, daß zwischen der Basis und dem obern Theile des Thrones ein freier Raum übrig bleibt, durch den man in’s Freie blickt[2]. Wie Herr Doktor Julius Meyer ganz treffend bemerkt, nimmt Cosimo Tura (Cosimo lautet auf ferraresisch Cosmè) unter den Ferraresen denselben Platz ein, den Andrea Mantegna in der Schule von Padua, Dario von Treviso in der von Treviso; Bartolommeo Vivarini und Giovanni Bellini (von 1460 bis 1480) in der Stadt- venezianischen Malerschule, Vincenzo Foppa in der lombardischen u. s. f.

Wie aber jede Schule ihren Mantegna, so hatte auch jede ihren Pietro Perugino und endlich auch ihren Raffael. Die Stelle, welche Perugino in der Schule von Perugia einnimmt, gebührt dem Lorenzo Costa in der ferraresisch-bolognesischen Malerschule.

Von diesem, wie mir scheint, viel zu wenig beachteten geistvollen und liebenswürdigen Maler besitzt die Berliner Galerie mehrere recht gute und charakteristische Bilder,


  1. Auf dem Throne des trefflichen Madonnenbildes von Francesco Bianchi in der Louvregalerie (No. 70) ist in einem Ovale auf dem Thronsockel, grau in grau, Adam und Eva dargestellt. Auf dem Thronsockel im kleinen Bilde des jungen Correggio (Vermählung der h. Catharina) bei Herrn Doktor G. Frizzoni in Mailand sieht man ebenfalls in einem Ovale das Opfer Abraham’s repräsentirt. Den Thronsessel endlich des großen Bildes des Correggio (No. 151) in der Galerie von Dresden schmückt ein Oval, worin wir Moses mit den Gesetztafeln erblicken.
  2. Solch’ einen Thron sehen wir auf diesem Bilde (No. 111) des Tura; einen ähnlichen auf dem Gemälde in der Breragalerie von Mailand, das man einem Stefano von Ferrara zuschreibt (No. 175); auf mehreren Bildern des Lorenzo Costa begegnen wir ebenfalls solchen zweitheiligen Thronen (VII. Kapelle rechts in S. Giovanni in Monte zu Bologna), ja selbst in einem Bilde des vom Costa abhängigen Francia (I. Kapelle links in der Kirche S. Martino von Bologna) und desgleichen auf Bildern aus der Frühzeit des Amico Aspertini.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/292&oldid=- (Version vom 31.7.2018)