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Nuzi und sein weltberühmter Schüler Gentile da Fabriano hervorgingen. Alle die eben berührten Malerschulen blühten im Anfange des 15. Jahrhunderts, zu einer Zeit also, wo weder in Perugia noch in Assisi noch in Foligno der Kunstsinn des Volkes irgend ein Lebenszeichen gab; denn die Maler, welche die Klosterkirchen von Assisi mit Wandmalereien schmückten, waren nicht Söhne des Landes, und die, welche damals in Perugia meißelten oder malten, waren zumeist Toskaner. Will man also den wahren, den naturwüchsigen Charakter der umbrischen Kunst kennen lernen, sich mit ihm vertraut machen, so darf man weder den Niccolò da Foligno und noch weniger den P. Perugino oder den Pinturicchio als Vertreter derselben ansehen, wie dies doch bisher seit Rumohr geschehen ist, sondern muß die ebengenannten Hauptrepräsentanten der Malerschulen von Gubbio, von Sanseverino und von Fabriano ins Auge fassen.

Leider ist von Ottaviano Nelli nur das bekannte Wandgemälde in der Kirche S. Maria nuova von Gubbio noch leidlich erhalten auf uns gekommen. Es ist vom J. 1404; der Engelchor um die h. Jungfrau ist voll Anmuth, wiewohl weder im Kopfe der Maria noch in denen der Engel irgend eine Spur jener religiösen Schwärmerei, jenes Schmachtens wahrzunehmen ist, das in der Schule des Niccolò da Foligno zuerst auftritt und in der des P. Perugino so charakteristisch wurde, daß man es als ein Hauptmerkmal bezeichnete, an dem die umbrische gegenüber den andern Malerschulen Italiens zu erkennen wäre[1].

Das besterhaltene Werk der Gebrüder G. und L. da Sanseverino sind die Fresken der kleinen Brüderschaftskirche von S. Giovanni in Urbino, deren Wände mit Darstellungen aus dem Leben des Täufers und der h. Jungfrau


  1. S. Passavant I. 49: „Le Pérugin, tant qu’il sut allier ce caractère particulier à l’école ombrienne, dont le vieux Niccolò Alunno avait été un des premiers initiateurs etc.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/312&oldid=- (Version vom 31.7.2018)