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grandemente vivo e morto, per essere la più rara ed eccellente opera che Raffaello facesse in vita sua“[1]. Doch, fügt Vasari hin, das Heimweh trieb Timoteo wieder von Rom nach Urbino, woselbst er bald nach seiner Rückkunft sich verheirathete (also um 1519 nach Vasari, da die Propheten und Sibyllen in der Kirche la Pace etwa im Jahre 1518 gemalt wurden), und da seine Frau ihn in der Folge mit Kindern beschenkte, so wollte Timoteo, trotz der wiederholten Einladungen Raffael’s, Urbino nicht mehr verlassen[2]. An dieser ganzen Erzählung des Aretiner’s ist nun nicht ein Wort wahr. Pungileoni berichtet in seinem „Elogio storico di Timoteo“ etc., daß Timoteo Viti sich schon im Jahre 1501 verheirathet und in der ganzen Zwischenzeit von 1501 bis 1510 seine Vaterstadt Urbino nie verlassen habe; daß er ferner im Jahre 1513 der erste Magistrat Urbinos gewesen, und daß seine Kunst noch im Jahre 1518 in Urbino vom herzoglichen Hofe daselbst in Anspruch genommen wurde. Timoteo Viti gehörte zudem einer wohlhabenden Bürgerfamilie von Urbino an, war dort ein sehr angesehener Mann und zählte im Jahre 1518, als Raffael seine Wandgemälde in der Kirche von S. Maria della Pace ausführte, schon an fünfzig Jahre, was doch gewiß kein Alter ist, in welchem ein begüterter, angesehener Mann Heimath und Familie verläßt, um fern vom eigenen Heerde unter einem viel jüngern Meister bei einer Wandmalerei Dienste als Handlanger oder auch als Gehülfe zu leisten.

Allen diesen Widersprüchen zum Trotz, nur um die Fabel des Vasari ja nicht fallen zu lassen, schreibt Passavant zwar nicht die Sibyllen, wie Vasari will, aber die Propheten (in S. Maria della Pace) dem Timoteo zu. Aus welchem Grunde? „Das Wandgemälde mit den Propheten, sagt er, ist um so viel schwächer als jenes


  1. Vasari VIII, 23.
  2. Vasari VIII, 151 und 152.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/352&oldid=- (Version vom 31.7.2018)