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dieses letztern stellt bis ungefähr in die ersten Jahre des 16. Jahrhunderts, wo seine Landschaften realistisch werden, gewöhnlich eine Ebene dar, mit Gewässern, mit befestigten Orten im Mittelgrund und Gebirgen in der Ferne; zumeist zieht ein Weg in Schlangenwindung durch Vor- und Mittelgrund. Ursprünglich waren die Farben dieser Landschaften: fahlgrün im Vorder- und dunkelgrün im Mittelgrunde, mit der Zeit jedoch oxidirten diese Farben, so daß sie gegenwärtig gewöhnlich schwarz aussehen[1].

Mantegna hatte wenig Sinn weder für die Linien noch für die Farben in der Landschaft. Gewöhnlich stellen seine landschaftlichen Gründe einen befestigten Ort dar, auf steilem Hügel, zu dem ein gewundener Weg führt; zuweilen auch zackige Felsmassen.

Da nun die größere Zahl der Bilder des Giambellino leider stark übermalt wurde, so sind durch die Restauration gar oft gerade die charakteristisch accentuirten Formen des Meisters nach den Vorschriften der Schule abgeschwächt worden und springen daher nicht sogleich in die Augen. Will man deßhalb den Meister in der Auffassung seiner Formen studiren, so suche man die Werke aus seiner Jugendzeit auf, welche a tempera gemalt und daher auch weniger entstellt wurden als diejenigen der spätern Epochen, welche alle mit Oelfarbe lasirt waren und somit fast alle durch den Restaurator verputzt worden sind.


  1. Im Saal Contarini der venezianischen Akademie sieht man zwar auf einem Madonnenbilde (No. 94) des Giambellino, mit dem Namen und der Jahreszahl 1487 bezeichnet, eine realistisch gefärbte Landschaft, allein man besehe sich jene Aufschrift genauer, und man wird mir wahrscheinlich zustimmen, daß sie apokryph sei. Meiner Ansicht nach gehört jenes Bild des Giambellino in die ersten Jahre des 16. Jahrhunderts, um 1503 oder 1504; man vergleiche es mit dem großen Altarbilde vom Jahre 1505 in S. Zaccaria. Die Herren Cr. und Cav. (I, 166) nennen das Bild „Giorgionesk.“ Ich erlaube mir hier übrigens zu bemerken, daß jene Madonna viel zu stark restaurirt und übermalt ist, als daß man dabei im Ernste noch über die „touch of the trees“ ein Urtheil aussprechen könnte.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/422&oldid=- (Version vom 31.7.2018)