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Diese Bemerkung soll nicht nur für die Werke des Giambellino gelten, sondern sie gilt ebenfalls für diejenigen aller großen Venezianischen Meister aus derselben Epoche. In den Jugendwerken treten die Eigenthümlichkeiten des Künstlers am meisten und schärfsten hervor. Wären die „Pietà“ in der Brera zu Mailand (No. 278) und die „Transfiguration“ in der Galerie von Neapel nicht mit dem Namen des Meisters bezeichnet, so würden aller Wahrscheinlichkeit nach auch diese Bilder des Giambellino dem Mantegna zugerechnet worden sein, wie dies ja so manch’ anderm Gemälde des Bellini aus derselben Epoche ergangen ist; ich brauche hier nur den „Christus auf dem Oelberge“ in der Nationalgalerie zu London (No. 726) und jenen im Museum Corrèr zu Venedig (No. 27), so wie die „Pietà“ in der Vaticanischen Galerie als Beispiele solcher Verwechslung anzuführen[1].

Die Darstellung der Beweinung Christi war in einer gewissen Periode (1460–1470) ein Lieblingsgegenstand des Meisters. Zwei solcher „Pietà“ befinden sich im Museum Corrèr in Venedig. Das eine jener Bilder (No. 36) trägt die gefälschte Chiffre des Albrecht Dürer und wurde von den Herren Cr. und Cav. dem Pietro Maria Pennacchi zugeschrieben (II, 227); dasselbe ähnelt sehr dem Bilde (No. 28) in der Berliner Galerie und dürfte wohl derselben Zeitepoche angehören.

Die andere „Pietà“ (No. 18) ist durch rohe Uebermalung


  1. Meiner Ansicht nach ist dies grobkörnige Gemälde im Vatican nur Atelierbild oder Kopie (nach einem Original des Giambellino), höchstwahrscheinlich von Giovanni Buonconsigli, il Marescalco genannt. Man vergleiche z. B. den Kopf der h. Magdalena auf der „Pietà“ im Vatican mit dem Kopf der Heiligen im Bilde No. 272 in der Akademie von Venedig. – Eine zweite, noch schwächere Kopie des nämlichen Gegenstandes (unter dem Namen des Giambellino) sah ich vor Jahren in der Sammlung Costabili[a 1] in Ferrara. Und vielleicht mag es dieses letztere Bild gewesen sein, welches die Herren Cr. und Cav. verleitet hat, das Gemälde in Rom dem Giovanni Bellini zuzuschreiben (I, 157).

Druckfehlerverzeichnis

  1. Vorlage: Castabili
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/423&oldid=- (Version vom 31.7.2018)