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wurde, und dessen erste künstlerische Erziehung ebenfalls eine fremde war, der jedoch trotz alledem in gewisse Beziehung zur Venezianischen Kunstschule gerechnet werden muß. Ich meine den in neuester Zeit so hochberühmt gewordenen Antonello da Messina.

Zu den Ansichten, welche im Laufe der Jahre den Charakter des Dogmas angenommen haben, mit dessen logischer Analyse man sich nicht weiter mehr befaßt, gehört in erster Linie die Ueberzeugung, daß Antonello nach Flandern gewandert und dort bei Johann van Eyck (einige neuere Schriftsteller substituiren dem 1441 verstorbenen van Eyck den Roger van der Weyden oder auch den Hans Memling) die Oelmalerei erlernt habe. Irre ich nicht gröblich, so dürfte diese Fabel der lebhaften und eiteln Phantasie irgend eines Sicilianers ihren Ursprung verdanken.

Untersuchen wir die Frage näher und ohne vorgefaßte Meinung.

Daß die Maler Europa’s schon lange vor den Brüdern van Eyck des oil mediums, um einen beliebten Ausdruck der Herren Cr. und Cav. zu gebrauchen, sich zu bedienen pflegten, geht nicht nur aus dem im Jahre 1437 erschienenen Trattato della Pittura des Cennino Cennini hervor, sondern schon aus der viel früheren „diversarum artium schedula“ des Mönchs Theophilus.

Die Inschrift, welche in den Niederlanden dem Andenken des Jan van Eyck gesetzt wurde, erwähnt mit keiner Silbe seine Erfindung der Oelmalerei:

Hic jacet eximia clarus virtute Joannes,
In quo picturae gratia mira fuit etc.[1].

Auch unter den deutschen Schriftstellern des 15. Jahrhunderts spricht keiner von dieser van Eyckschen Entdeckung, während doch die größere Zahl der Maler Deutschlands, wie Martin Schöngauer, Michel Wohlgemuth,


  1. Siehe: Zani, Enciclopedia u. s. w. Vol. II, 305.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/435&oldid=- (Version vom 31.7.2018)