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schwache Bild nicht der mailändischen Schule an, sondern ist höchstwahrscheinlich eine alte Kopie oder Nachbildung nach Lorenzo di Credi. Die Herren Cr. und Cav. behaupten zwar, es wäre in der Manier des Zenale gemalt, allein wir erlauben uns die Frage an sie zu stellen, wo denn beglaubigte Werke des Zenale zu sehen sind?

Vasari (VII, 127) sagt: „in Mailand war noch ein Bernardino da Trevio (Treviglio), Ingenieur und Architekt des Domes (von Mailand), und ein vortrefflicher Zeichner, der bei Lionardo da Vinci in Ehren stand, obwohl seine Manier roh und etwas trocken in den Gemälden war.“ Wir hätten somit, nach dem Zeugnisse des Berichterstatters des Vasari, in Zenale mehr den Ingenieur und Architekten als den Maler zu suchen. Gewiß ist es, daß heutzutage von diesem Zenale kein authentisches Bild aufzufinden ist. Die große Altartafel mit dem S. Martinus, hinter dem Hauptaltar der Pfarrkirche von Treviglio aufgestellt, ist zwar ein dokumentirtes Werk des Zenale und des Buttinone (eine Kopie des Originalvertrages findet man im Archive der Kirche von Treviglio), wir wissen jedoch nicht, wie viel in diesem Gemälde dem Zenale, wieviel dem Buttinone angehöre. Selbst die Herren Cr. und Cav. müssen bekennen, daß es schwer sei, die Figuren, die hier von Zenale ausgeführt sind, von denen zu unterscheiden, welche seinem Arbeitsgenossen Buttinone ihr Dasein verdanken. Dasselbe gilt auch für das fast ausgelöschte Wandgemälde der beiden Meister in der Kapelle Griffi, in der Kirche S. Pietro in Gessate zu Mailand; beim Anblick dieser Fresken treten uns die nämlichen Schwierigkeiten entgegen. Nichtsdestoweniger und uneingedenk des früher gemachten Geständnisses wollen die berühmten Historiographen in jenen kaum sichtbaren Malereien die Manier des einen Malers von der des andern unterscheiden, indem sie in der Arbeit des Buttinone den Charakter der paduanischen Schule, abgeleitet, sei es von den Mantegnesken, sei es von Carlo Crevelli(!), erkennen,

Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/478&oldid=- (Version vom 31.7.2018)