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zur mailändisch-lombardischen Schule gerechnet werden. Ja, ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich behaupte, daß die Mehrzahl der bessern, in Privatsammlungen dem Lionardo zugemutheten Werke von Giovan Antonio Bazzi herrühren. So wurde noch vor wenigen Jahren die herrliche Leda (1. Saal der Borghesegalerie) dem Vinci selbst zugerechnet und erst in neuerer Zeit in die Lionardische Schule verwiesen; so trägt noch immer ein kleines, stark nachgedunkeltes Madonnenbildchen in der Stadtgalerie von Bergamo (Abtheilung Lochis, No. 207) den Namen des Lionardo, während dasselbe für jeden Kenner als Werk des Sodoma sich erweisen muß; so noch etliche Madonnenbilder in Privatsammlungen sowohl in Italien als in England.[1]. Der junge Bazzi scheint jedoch in Mailand den Lionardo nicht nur in der Kunst, sondern selbst in der äußern Erscheinung und in seinen Liebhabereien sich zum Vorbild genommen zu haben. Den Cavalier hat er sein ganzes Leben durch gern gespielt, und gleich Lionardo hielt er sich stets Reitpferde im Stalle und allerlei curioses Gethier im Hause. (Siehe Vasari).

Wird nun, wie wir eben gesehen, gar manches seiner Werke dem Vinci zugemuthet, so galt andererseits vor gar nicht langer Zeit noch die schöne Röthelzeichnung zu seiner „Hochzeit Alexanders mit Roxane“, in der Albertina , bei Alt und Jung, ja selbst beim Raffaelisten Passavant, für eine ganz vorzügliche Zeichnung des Raffael von Urbino[2].


  1. Auch der getuschte Christuskopf in der Albertina in Wien (Braun No. 90) gehört wohl eher dem Bazzi als dem Lionardo an.
  2. Die drei großen Wandgemälde des Sodoma im obern Stockwerke der Farnesina stellen: 1) den jungen Alexander, den Pegasus bändigend, dar; diese Freske, durch eine barbarische Restauration ganz und gar entstellt, wird seit geraumer Zeit dem Vasari zugeschrieben; 2) Die Hochzeit Alexander’s mit Roxane, und 3) die Familie des Darius vor Alexander. Eine Federskizze des Sodoma zur Hochzeit Alexanders befindet [472] sich in den Uffizien, daselbst der „Schule Raffael’s“ zugeschrieben (bei Philipot No. 1145). Mit dem nämlichen feinen Verständniß gibt man in derselben Sammlung eine andere (getuschte) Zeichnung des Bazzi (zu einem seiner Freskobilder im Klosterhofe von Montoliveto) dem Timoteo Viti (Philipot No. 1952).
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/490&oldid=- (Version vom 31.7.2018)