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Die Bilder des Bernardino Luini und des Gaudenzio Ferrari, die in der Berliner Galerie sich vorfinden, waren in jenen Tagen dem Publikum unzugänglich; ich werde deßhalb mich darauf beschränken, nur einige Zusätze den im Katalog mitgetheilten Lebensnachrichten dieser zwei Hauptvertreter der lombardisch-mailändischen Malerschule hier zuzufügen.

Dem Argellati zufolge (Script. Mediol. II, 816) war Bernardino der Sohn des Giovanni Lutero von Luino, einem Flecken am Lago maggiore. Ueber das Jahr seiner Geburt sind wir noch immer im Dunkeln; doch würde ich dieselbe jedenfalls statt in’s Jahr 1470, wie man gewöhnlich annimmt, in den Zeitraum zwischen 1475 und 1480 setzen. Auch machen, wie mir scheint, sowohl Herr Direktor Meyer als auch die Herren Cr. und Cav. (II, 43) mit Unrecht den Luini zum Schüler Lionardo’s. In seiner großen „Beweinung Christi“[1], im Chore der Kirche S. Maria della Passione zu Mailand, das wohl das älteste unter den uns bekannten Werken des Luini sein dürfte (etwa zwischen 1505–1510), erweist sich derselbe noch als ein durchaus lombardischer Meister, der auch nicht die leiseste Spur Lionardischer Einflüsse, wohl aber deutlich die Schule des Ambrogio Borgognone, nebst mannichfachen Einwirkungen des Bramantino verräth[2].


  1. Oben auf diesem interessanten Bilde sehen wir den auferstandenen Christus zwischen zwei Engeln; sowohl diese drei Figuren wie ebenfalls die zwei h. Bischöfe im Bilde selbst und namentlich die Landschaft erinnern sehr deutlich an Borgognone; die eine der Marien dagegen, ich meine die mit den gefalteten Händen und dem rosenrothen zur Haube zusammengelegten Tuche auf dem Kopfe, gemahnt an Bramantino. Die zwei Apostel Petrus und Paulus an den äußern Enden der Predella scheinen mir von der Hand des Gaudenzio Ferrari gemalt.
  2. So galten noch vor kurzer Zeit der al Fresco gemalte Putto des Bramantino (No. 7) sowie der h. Martinus (No. 8) desselben Meisters, in der Breragalerie, für Werke des Luini; andererseits werden die zwei grau in grau gemalten Riesen des Luini im Hofe des Palazzo Melzi, im Borgo nuovo zu Mailand, dem Bramantino zugeschrieben. Der Borgognonischen [479] Frühzeit des Meisters dürften ebenfalls die für das Kloster delle Vetere gemalten Fresken, jetzt in der Brera, angehören: (No. 23, Auferstehung Christi, No. 39, Thomas von Aquino u. a. m.).
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/497&oldid=- (Version vom 31.7.2018)