Wohl war der Hafen noch mit Schiffen gefüllt, aber sie lagen alle auf der Seite und auf dem Trockenen. Das Meer mußte zurückgetreten sein oder das Land sich gehoben haben, nachdem eine Sturmflut vorausgegangen war, die einige Schiffe auch ans Land geschleudert hatte. So lag mitten in der Stadt ein gewaltiger Passagierdampfer sicher zwischen den eingedrückten Häusern eingebettet, während ein Dreimaster gar hoch oben auf einem Felsen ruhte. Was für eine Kraft hatte den Koloß da hinaufgesetzt? Die Elemente spotteten eben jeder menschlichen Berechnung.
Unten am Gebirge und auch an den bis auf einige Vorsprünge glatten Wänden nisteten die Seeeisvögel, und als Richard den Blick weiter hinaus auf das grüne Meer lenkte, sah er auch hier Eisberge. Doch was war das dort? Was bedeutete diese von dunklen, sich bewegenden Massen ausgehende, aus dem Wasser aufspritzende Fontaine? Eine Herde spielender Walfische nahte da heran! Die Bewohner des Polarmeeres hatten den Weg schon hierher gefunden!
Richard stieg hinab. Plötzlich stieß er einen Jubelruf aus, denn dort unter dem Felsvorsprunge stand eine ganze Gruppe Menschen und zwar Europäer!
Aber immer mehr verlangsamten sich seine Schritte. Warum rief man ihm nicht wieder entgegen? Warum bewegte sich niemand? Warum waren alle bei dieser Kälte nur in dünne Tropenanzüge gekleidet?
Richard erstarrte vor Entsetzen bald ebenso zu Eis, wie diese Menschen. Kein Zweifel, sie waren vor der Katastrophe, vielleicht noch vor der Sturmflut, geflohen, hatten aufgerafft, was ihnen wertvoll dünkte, und waren dann hier oben erst nachträglich von der Kältewelle getroffen worden, die sie in Bildsäulen verwandelte. Noch trug einer der Männer ein Bündel Betten, eine vornehm gekleidete Dame ein Schmuckkästchen. Nur wenige hatten den Halt verloren und waren umgefallen, und so würden sie vielleicht nun für ewig dastehen.
Robert Kraft: Die indischen Eskimos. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_indischen_Eskimos.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)