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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/166

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empfahlen sie den Kauf, weil die Gelegenheit günstig sei und etwas ähnliches nur mit vieler Mühe und großen Unkosten zusammen zu bringen sein würde. Daß die Sammlung werthvoller und reichhaltiger war, als dieses Urtheil vermuthen läßt, lehrt das Verzeichniß, das die Beauftragten angefertigt hatten und das sich gleichfalls an demselben Orte im Original erhalten hat. Es ist betitelt: „Was auf S. Churf. Gn. Befehl die verordneten Commissarii in Herrn Johann Maria seligen Behausung an hinterlassenen Kunstsachen befunden haben“. Ich gebe im folgenden den wesentlichen Inhalt dieses Schriftstückes möglichst wortgetreu, doch unter Weglassung aller Nebensächlichkeiten und Weitschweifigkeiten wieder und füge nicht nur die von den Sachverständigen ermittelten Preise, sondern auch in Klammern die hier und da zum Verständniß nothwendigen Erklärungen, sowie die Angabe bei, wo sich einzelne Stücke gegenwärtig befinden. Die Anordnung der Kunstwerke ist keine streng systematische, sondern entspricht den Räumen des Nossenischen Hauses, in denen sie aufgestellt waren.

I. Im oberen Kunstsaal, dem größten Raume des ersten Stockes, befanden sich hauptsächlich Erzeugnisse der Plastik, manche im Original, andere in Abgüssen. Nosseni hatte sie theils auf seinen Reisen in Italien, theils durch Vermittlung seiner Landsleute, die beim Bau und der Ausschmückung des Stallgebäudes und des Lusthauses in Dresden, sowie der Kurfürstlichen Begräbnißkapelle im Dom zu Freiberg mitgewirkt hatten, erworben. Von geringem Werthe waren zwei Nachbildungen von Werken des Michelangelo:

ein stehender Christus, schwarz angestrichen, 1 Elle hoch, nicht gut nachgemacht, 3 Thaler;

drei liegende Bilder derer Tageszeiten, als Morgen, Abend, Mitternacht, fehlt darunter Meridies, von Erde, roth angestrichen, nachpossiret von denen auf der Kunstkammer, 9 Th. (Die in den alten Kunstkammerinventaren erwähnten Alabasterfiguren der vier Tageszeiten waren keine Originale des Michelangelo. Sie befinden sich jetzt in der Kgl. Skulpturensammlung)[1].

Weit werthvoller als diese Nachbildungen waren verschiedene Arbeiten des namhaften flandrischen Bildhauers Johann Pollonia (Jean de Boulogne, auch Giovanni da Bologna genannt, geb. 1524 in Douai, gest. 1608 in Florenz), der in Rom ein Schüler Michelangelos gewesen war und dann in Florenz eine glänzende Thätigkeit entfaltet hatte[2]. Von ihm waren folgende Arbeiten vorhanden, die Nosseni vermuthlich 1588 von dem Künstler selbst erwarb, als er mit ihm über die Ausschmückung der Freiberger Fürstengruft unterhandelte:

eine stehende Göttin Thetis, von Stuck, ascherfarbig angestrichen, 1½, Elle hoch, 12 Th.;

ein stehender Hercules, welcher den filium terrae Cacum an die Brust andrückt, von Stuck, grün an gestrichen, 1¾ Ellen hoch, 25 Th.;

ein stehender Neptunus, von Erde, schwarz an gestrichen, 1½, Elle hoch, 10 Th.;

ein stehend Bild Cereris, von Erde, grau angestrichen, 1 Elle hoch, 4 Th.;

ein stehend Bild, die Astronomia, von Gips, weiß, 8/4 Ellen hoch, 2 Th.;

ein Mercurius, lebensgroß, ohne Füße und Finger und sonst etwas zerbrochen, von Stuck, 25 Th.[3];

ein Mercurius, in Metall gegossen, 1 Elle hoch, auf einem serpentinenen Postamentlein, 30 Th.;

ein Christus von Metall mit ausgespannten Armen, an ein Kreuz gehörend, unverschnitten, ¾ Ellen hoch, 15 Th.[4];

ein knieend Weiblein aus Messing, auf einem steinernen gedrehten Postament, sauber und gut, 15 Th.

Eine noch größere Zahl von Werken stammte von dem Florentiner Bildhauer und Erzgießer Carol de Caesar, richtiger Carlo de Cesare, einem Schüler des Giovanni da Bologna und Mitarbeiter Nossenis an der kurfürstlichen Begräbnißkapelle zu Freiberg, deren Herrscherfiguren er goß, sowie an der Ausschmückung des Stallgebäudes und des Lusthauses in Dresden:

zwei stehende Bilder oder Statuae Veneris, hat jede bei sich den Cupidinem, von Stuck, jedes 3½, Ellen hoch, zu Freiberg gemacht, 100 Th.;

eine stehende Venus mit Cupidine, von Erde, weiß angestrichen, zu Freiberg gemacht, 16 Th.;

eine Göttin Thetis, unten mit einem Delphin, von Erde, weiß angestrichen, zu Freiberg gemacht, 16 Th.;

zwei stehende Göttinnen, als die Venus mit dem Cupidine und eine Gratia, beide von Erde und meergrün angestrichen, 7/4 Ellen hoch, 30 Th.;

ein stehender Pluto mit der Proserpina, von Erde, überkupfert, 13/4 Ellen hoch, 10 Th.;

ein stehend Bild des Kindleins Christi, von Erde, rot angestrichen, 1½ Elle hoch, 8 Th.;

der Kopf von Kurfürst Christiani I. seligen Statua (im Dom zu Freiberg) abgeformt, von Erde, mit Farben angestrichen, 4 Th.;


  1. H. Hettner, Die Bildwerke der Kgl. Antikensammlung zu Dresden, 4. Aufl. (Dresden 1881), S. 4, Nr. 29 bis 32.
  2. Vergl. Abel Desjardins, La vie et l’oeuvre de Jean Bologne (Paris 1883), wo zwar die hier erwähnten Figuren nicht, wohl aber ähnliche genannt werden, für welche die genannten möglicher Weise als Modelle gedient haben.
  3. Vermuthlich Modell oder Abguß des berühmten lebensgroßen „Fliegenden Merkur“ in Florenz (Desjardins, S. 61 ff.).
  4. Ueber die Cruzifixe Boulogne’s vergl. Desjardins, S. 127 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/166&oldid=- (Version vom 21.10.2024)